(ots) -
FIFPro prangert das Transfersystem an und könnte damit den
endgültigen Ruin vieler Clubfinanzen einläuten
Vielen europäischen Profifußball-Clubs droht eine wirtschaftliche
Abwärtsspirale. Denn die weltweit tätige Vertretung von
Profifußballern FIFPro will das Transfersystem im europäischen
Fußball auf den Prüfstand stellen. Die Europäische Kommission hat das
System bereits vor Jahren für unzulässig erklärt. Die FIFPRo drängt
nun auf die Änderung der Regelungen dazu. Die potenzielle Abschaffung
der Transferzahlungen könnte einen dramatischen Einfluss auf die
Wirtschaftlichkeit der Fußballvereine haben. Viele von ihnen befinden
sich ohnehin schon in einer schwachen finanziellen Lage. Bei 27 von
rund 71 untersuchten europäischen Fußballvereinen übersteigt das
Fremdkapital das Vermögen. Je nach Club und Land betragen die
Transferpreise im Durchschnitt zwischen 20 und 40 Prozent der
Bilanzsumme der Fußballvereine, in Ausnahmefällen sogar bis zu 90
Prozent. Es könnte ein Preiskampf um die besten Spieler entstehen,
bei dem die Fußballvereine nach Entfall der Transfergebühren den
zusätzlichen Cashflow zur Zahlung höherer Spielergehälter verwenden -
statt die den ursprünglichen Transferzahlungen gegenüber stehenden
Schulden zu tilgen. Die Profitabilität würde sich weiter
verschlechtern, noch mehr Insolvenzen wären unvermeidbar. Gefragt ist
ein neues Geschäftsmodell für die Vereine, das auskömmliche Gehälter
für die Spieler gewährleistet und gleichzeitig eine angemessene
Rendite für die Investoren ermöglicht.
Die weltweit tätige Vertretung von Profifußballern FIFPro prangert
öffentlich das Transfersystem im europäischen Profifußball an. Sie
argumentiert, dass das aktuelle System im Widerspruch zur bisherigen
Entscheidung der EU-Kommission steht. Zudem kritisiert sie, dass
Transferpreise in letzter Zeit in astronomische Höhe geklettert sind.
Dazu Dr. Jürgen Rothenbücher, Partner bei A.T. Kearney: "Wenn sich
die FIFPro durchsetzen kann, könnte dies dramatische Auswirkungen auf
den Profifußballsport und alle europäischen Profifußball-Clubs
haben."
Zahlreiche europäische Fußballvereine überschuldet
Rothenbücher erläutert: "Viele Fußballvereine haben bisher in
einer finanziellen Schieflage Spieler verkauft, um mit den
Transfereinnahmen Kredite zu tilgen. Wenn Transferpreise verboten
würden, haben sie diese Möglichkeit nicht mehr. Oft bleibt dann nur
noch der Konkurs."
Je nach Land und Verein beträgt das immaterielle Vermögen der
Fußballvereine, also die Transferpreise, im Durchschnitt zwischen 20
und 40 Prozent der Bilanzsumme. In Ausnahmefällen erreicht dieser
Wert sogar bis zu 90 Prozent.
Bereits heute stehen viele europäische Fußballvereine kurz vor der
Insolvenz. Bei 27 von 71 europäischen Fußballvereinen überstieg 2011
das Fremdkapital die Vermögenswerte.
Diese Situation stellt sich sogar noch verschärft dar, wenn man
die Sachanlagen, d.h. Fußballstadien und Trainingsplätze, betrachtet.
Sie stellen neben den immateriellen Vermögenswerten einen
Hauptbestandteil des Anlagevermögens eines Fußballvereins dar. Diese
Vermögenswerte sind hoch illiquide, da es nur wenige potenzielle
Nutzer für solche großen Stadien gibt. Im Fall einer finanziellen
Schieflage ist es daher äußerst schwierig, ein Stadium zu verkaufen.
"Wären die Vereine herkömmliche Unternehmen, würde dies für die
meisten über kurz oder lang die Insolvenz bedeuten, wenn sich ihre
Situation nicht ändert. Dass es überhaupt noch Profifußballvereine
gibt, ist vor allem auch auf den großen politischen Druck und die
enorme Relevanz von Fußball für die Gesellschaft zurückzuführen", so
Rothenbücher.
Mögliche Zukunftsszenarien
Wird das bisherige System abgeschafft, sind für die finanzielle
Situation der Fußballvereine zwei Szenarien denkbar.
Szenario 1: Die Fußballvereine verhalten sich ökonomisch und
nutzen den Cashflow, der durch den Wegfall der Transferausgaben
entsteht, um Kredite zurückzuzahlen. Dies würde eine Bilanzverkürzung
und keinen Einfluss auf den Gewinn nach sich ziehen, da weder
Transfereinnahmen noch -ausgaben entstehen.
Szenario 2: Die Fußballvereine verwenden den Cashflow zur Zahlung
höherer Spielergehälter. Dies hätte zur Folge, dass in einem
Preiskampf um die besten Spieler diese finanziellen Mittel das System
zwischen den Fußballvereinen verlassen. Somit würde sich die ohnehin
schlechte Profitabilität der Fußballvereine weiter verschlechtern. In
diesem Fall kommen die Vereine einer Insolvenz noch näher als sie
heute schon sind.
Ein zusätzlicher Effekt einer Abschaffung von Transferpreisen
wäre, dass die reichen Vereine immer reicher und die armen immer
ärmer würden. Denn im Durchschnitt werden die Transferpreise von
reichen Vereinen, wie beispielswiese dem FC Bayern München, an arme
Vereine gezahlt. Ohne das jetzige Transfersystem wären die armen
Vereine in noch größerer Gefahr, die reichen Clubs würden noch
stärker dominieren und Fußballspiele würden weniger interessant.
Neues gemeinsames Geschäftsmodell gefragt
Emmanuel Hembert, Prinzipal bei A.T. Kearney und Experte für das
Geschäftsfeld Fußball, erläutert: "Um eine gemeinsame Lösung für
dieses Dilemma zu finden, sind die Fußballvereine aufgefordert, ihre
Rivalität kurzzeitig außen vor zu lassen. Denn Fußball ist keine
'normale' Branche und kann nicht den reinen Marktmechanismen folgen.
Ein Mangel an Konkurrenz ist für einen Verein nachteilig. Vereine
sollte daher gemeinsam ein neues Geschäftsmodell entwickeln, das
einerseits auskömmliche Gehälter für die Spieler gewährleistet und
andererseits eine angemessene Rendite für die Investoren ermöglicht."
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A.T. Kearney GmbH
Meike Fuhlrott
Marketing & Communications Manager
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