(ots) - Die politischen Parteien in Deutschland
positionieren sich in Fragen der Presse- und Informationsfreiheit
äußerst unterschiedlich. Das hat eine Umfrage der
Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) ergeben. Vor
der Bundestagswahl am 22. September hat ROG den Parteien erstmals
Wahlprüfsteine vorgelegt und sie damit gebeten, ihre Haltung zu
Themen wie Informantenschutz, Vorratsdatenspeicherung, dem Einsatz
für verfolgte Journalisten aus dem Ausland sowie dem Export von
Ãœberwachungstechnologie direkt vergleichbar zu machen.
"Den Parteien sollten die Pressefreiheit im eigenen Land und der
Einsatz für verfolgte Journalisten in aller Welt ein ernsthaftes
Anliegen sein", sagte ROG-Vorstandssprecherin Astrid Frohloff. "Die
Wahlprüfsteine von Reporter ohne Grenzen bieten eine
Orientierungshilfe für alle, denen diese Themen am Herzen liegen. An
diesen Positionen werden wir die Parteien in den kommenden vier
Jahren messen."
Zu insgesamt sechs Themen hat ROG die Stellungnahmen der im
Bundestag vertretenen Parteien sowie der Piratenpartei und der
Alternative für Deutschland erfragt:
- Unterstützen die Parteien die Einführung der
Vorratsdatenspeicherung in Deutschland?
- Setzten sie sich dafür ein, den Informantenschutz in Deutschland
zu stärken?
- Sollte Zensur- und Ãœberwachungstechnologie in Exportkontrollen
auf nationaler, EU- und internationaler Ebene einbezogen werden?
Wie sollte eine solche Regelung aussehen?
- Wie beurteilen die Parteien den Anspruch von Journalisten auf
Behördenauskünfte nach dem Informationsfreiheitsgesetz? Wie
stehen sie zu Forderungen, die Ablehnungsgründe abzuschaffen,
Auskunftsfristen zu verkürzen und Gebühren für die Auskünfte
abzuschaffen?
- Sollten die Botschaften "sicherer" Länder für verfolgte
Journalisten auf der Flucht offen sein? Sollte Deutschland in
solchen Fällen unbürokratisch Nothilfe-Visa erteilen?
- Was tun die Parteien konkret für die Pressefreiheit in Ländern,
in denen Journalisten und Medien unter Druck stehen?
Bei der VORRATSDATENSPEICHERUNG halten die Unionsparteien
Mindestspeicherfristen für notwendig zur Strafverfolgung und
Gefahrenabwehr; die entsprechende EU-Richtlinie wollen sie umsetzen.
Die SPD will die Verwendung der Daten einschränken und strikten
rechtsstaatlichen Kontrollen unterwerfen. Die EU-Richtlinie will die
Partei grundlegend überarbeiten - ebenso wie die FDP, die nur bei
konkreten Verdachtsmomenten und mit Richterbeschluss die Nutzung
vorhandener Daten erlauben will. Die übrigen Parteien lehnen die
Vorratsdatenspeicherung ab, Grüne und Piraten wollen darüber hinaus
das Post- und Fernmeldegeheimnis zu einem umfassenden
Telekommunikationsgeheimnis ausbauen.
Beim INFORMANTENSCHUTZ verweisen CDU/CSU und FDP auf das 2012
verabschiedete Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit, das den Schutz
bei der Veröffentlichung vertraulichen Materials sowie vor
Beschlagnahmen verbessert habe. Die SPD fordert eine Stärkung des
Zeugnisverweigerungsrechts, Linke und Piraten wollen einen
gesetzlichen Whistleblower-Schutz einführen und die Grünen den
Geheimnisverrat straffrei stellen.
Sehr unterschiedlich bewerten die Parteien auch die Notwendigkeit,
EXPORTE VON ÃœBERWACHUNGSTECHNOLOGIE in Staaten mit
Menschenrechtsverletzungen zu kontrollieren. Die Regierungsparteien
betrachten die vorhandenen Regelungen als ausreichend und schon ihre
derzeitige Handhabung als restriktiv. Die meisten der anderen
Parteien fordern weitergehende Beschränkungen auf deutscher, EU und
internationaler Ebene.
Was eventuelle Reformen am INFORMATIONSFREIHEITSGESETZ betrifft,
wollen CDU und CSU vor allem den Schutz persönlicher Daten
gewährleistet sehen. SPD, Grüne und Piraten sprechen sich für eine
Fortschreibung zum Transparenzgesetz ein, das Behörden zur aktiven
Veröffentlichung von Daten verpflichten solle. Linke und AfD
kritisieren vor allem die zahlreichen Ablehnungsgründe, lange
Auskunftsfristen und Gebühren; letztere dürfen auch aus Sicht der FDP
kein wesentliches Hindernis für Auskunftsanträge darstellen.
Bei der Frage nach OFFENEN BOTSCHAFTEN UND NOTHILFE-VISA für
verfolgte Journalisten verweisen CDU/CSU und FDP darauf, dass
politisches Asyl nur vor Ort im Zielland beantragt werden könne. Die
übrigen Parteien zeigen sich offen für das Anliegen; Linkspartei und
Grüne nennen eine Aufnahme aus dringenden humanitären Gründen als
rechtliche Möglichkeit zur Hilfe auch ohne Asylstatus.
Die vollständigen Wahlprüfsteine mit den Antworten der Parteien
finden Sie unter
http://www.reporter-ohne-grenzen.de/wahlpruefsteine2013, eine
Kurzfassung der Antworten unter http://bit.ly/138dUTc.
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer
T: +49 (0)30 60 98 95 33-55
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