(ots) - Demenz - so der Überbegriff für Altersleiden wie
Alzheimer & Co. - ist wirklich eine heikle Erkrankung und bringt die
Betroffenen in eine zwiespältige Situation. Denn wie Studien belegen,
bemerken ältere Menschen durchaus, wenn sie vergesslicher werden und
ihr Gehirn nicht mehr "so" funktioniert. Dennoch bremsen sie sich
meistens selbst aus, indem sie die Verschlechterung ihres Zustands
tatenlos hinnehmen, die Erkrankung einfach nicht wahrhaben wollen.
"Auch Angehörige oder enge Vertraute, die die Veränderungen
wahrnehmen, können etwas unternehmen.", meint Wiebke Flotho,
Ergotherapeutin im Deutschen Verband der Ergotherapeuten e.V. (DVE),
die zum Thema Demenz promoviert. Denn Ergotherapie bewirkt in jedem
Stadium dieser Erkrankung, deren häufigste Form der so genannte
Morbus Alzheimer ist, etwas. Insbesondere dann, wenn die Behandlung
bei den Betroffenen zuhause stattfindet, führt sie zu einer höheren
Lebensqualität.
Gemeinsam mit ihrer Kollegin Corinna Sibold hat die
Ergotherapeutin Wiebke Flotho mit Unterstützung des DVE (Deutscher
Verband der Ergotherapeuten e.V.) Schulungen für ein neues Konzept in
der Ergotherapie entwickelt und durchgeführt. HED-I, dies ist der
Name der Häuslichen Ergotherapie bei Demenz, ist in vielerlei
Hinsicht etwas Besonderes. So werden beispielsweise sowohl die
Menschen mit Alzheimer und anderen Formen der Demenz als auch ihre
Angehörigen fortlaufend mit in die Behandlung einbezogen. Und: Die
Ergotherapeutinnen machen im Rahmen dieses Programms Hausbesuche,
kommen also regelmäßig zu den Betroffenen in deren vertraute
Umgebung. Neben anderen positiven Effekten senkt dies die
Hemmschwelle, etwas zu unternehmen - man muss ja nicht einmal die
eigenen vier Wände verlassen. Die Hemmschwelle senken und vor allem
Vertrauen bilden, das sind die ersten Hürden, die die
ergotherapeutischen Fachkräfte zu bewältigen haben. "Wir wissen vor
dem ersten Hausbesuch nie, was uns erwartet.", berichtet Flotho von
ihren Einsätzen vor Ort. "Ältere Menschen sind manchmal wenig offen,
dann müssen wir bevor es überhaupt richtig losgeht,
vertrauensbildende Maßnahmen ergreifen." Oft verändert sich die
Stimmungslage bei Alzheimer- und anderen Demenzpatienten abrupt. Oder
es zeigen sich Spannungen zwischen dem Kranken und dem pflegenden
Angehörigen, was sich meist darauf zurückführen lässt, dass die
Betroffenen sich bevormundet fühlen oder es zu Missverständnissen
kommt. Doch selbst mit solchen Situationen können die speziell
geschulten Ergotherapeutinnen und ihre männlichen Kollegen gut
umgehen, denn Gesprächsführung und sogar Deeskalationstraining sind
Bestandteile der Kurse, die Frau Flotho durchführt.
Analytische Herangehensweise bei Alzheimerpatienten
Die Ergotherapie bietet eine Reihe ausgeklügelter Methoden. Mit
deren Hilfe finden die HED-I-geschulten Ergotherapeuten gemeinsam mit
ihren Klienten und deren pflegenden Angehörigen heraus, welche
Aktivitäten vor dem Beginn der Alzheimer- oder Demenzerkrankung
wichtig waren und sind, was sie alleine können und wobei sie Hilfe
benötigen. Dabei geht es um viele Dinge im Alltag wie häusliche
Aufgaben, die eigene Körperhygiene oder das Anziehen, aber auch um
soziale Kontakte, Bewegung oder Bankgeschäfte. Alle Informationen
fließen in ein sogenanntes Betätigungsprofil ein um zu sehen wie
zufrieden oder unzufrieden die befragten älteren Menschen mit den
einzelnen Punkten sind. Bei dem nächsten Hausbesuch geht es darum,
die Demenzkranken - und sofern deren Hilfe benötigt wird, auch die
unterstützenden Angehörigen - bei den Aktivitäten zu beobachten, die
sich als verbesserungswürdig herauskristallisiert haben. Menschen
mit Alzheimer sind verständlicherweise ausgesprochen sensibel, das
wissen Ergotherapeuten mit Demenzerfahrung sehr gut. Sie bieten daher
ihr Wissen an, sie setzen auf Kooperation anstatt vorgefertigte
Lösungen überzustülpen. Zusammen mit ihren Patienten finden sie bei
ihren Hausbesuchen geeignete Möglichkeiten oder Hilfsmittel, um das
tägliche Leben zu erleichtern. Dies kann beispielsweise ein Beeper
sein, um verlegte Dinge wiederzufinden oder ebenso gut ein
Umstrukturieren oder ein Umverteilen von Arbeiten. Die
Vorgehensweise, die die Betroffenen bevorzugen, ist die richtige - so
die Philosophie in der Ergotherapie.
Strukturierte Umsetzungshilfe für erkrankte ältere Menschen
Es finden zwei Mal pro Woche Hausbesuche statt. Damit die
besuchten Klienten mit Alzheimer oder einer der anderen Formen von
Demenz die entwickelten Ideen und Lösungen auch leicht in die Tat
umsetzen können, arbeiten die betreuenden Ergotherapeuten mit ihnen
einen Aktionsplan aus. Dieser führt alle besprochenen Punkte auf und
zeigt: Wer macht was und wann. Dass darin neben Cafébesuchen oder
anderen für diese älteren Menschen wichtigen Freizeitaktivitäten auch
Elemente wie Lieder singen, Kreuzworträtsel lösen und
Spielerundenvorkommen, hat einen Sinn. "So trainieren die
Demenzpatienten ihre Hirnleistung quasi 'en passant'. Allerdings ist
Abwechslung ganz wichtig, z.B. immer nur Kreuzworträtsel bringt
nichts.", erläutert Wiebke Flotho diese weitere Facette von HED-I.
Messbarkeit spielt in der innovativen Ergotherapie eine große Rolle
und daher wundert es nicht, dass HED-I bei dem vorletzten Hausbesuch
jeder 20-Stunden-Einheit wiederum eine Befragung vorsieht. Beim
Vergleich mit den anfangs notierten Daten zeigt sich, was nun besser
klappt. Und dass die Betroffenen und ihre Angehörigen wieder viel
mehr Lebensfreude verspüren, weil das tägliche Leben und Miteinander
leichter funktioniert, ist einfach nachvollziehbar. Denn das eigene
Wohlbefinden ist gerade bei Demenzerkrankungen wie Alzheimer ein
wichtiger Gradmesser.
Informationsmaterial erhalten Interessierte bei den
Ergotherapeuten des Deutschen Verbandes der Ergotherapeuten e.V.
(DVE). Diese sind über die Therapeutensuche auf www.dve.info.zu
finden.
Pressekontakt:
Angelika Reinecke, Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.,
Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Telefon: 033203 - 80026,
E-Mail: a.reinecke(at)dve.info