(ots) -
- Viele Kunden sehen webbasierte Kommunikationskanäle künftig als
wichtigsten Zugangsweg zu ihrer Versicherung
- Die meisten Versicherer begegnen dem Kundenwunsch nach digitalen
Angeboten mit isolierten Einzelinitiativen
- Grenzen zwischen Online- und Offlinewelt müssen aufgehoben,
Betriebsmodelle angepasst werden, bei gleichzeitiger
Weiterentwicklung der IT
- Mit sieben Stellhebeln können Versicherer den Sprung ins
digitale Zeitalter schaffen
Später als andere Branchen erreicht die Digitalisierung nun auch
die Versicherungsunternehmen mit großem Nachdruck.
Versicherungskunden akzeptieren nicht mehr länger die noch
bestehenden Grenzen zwischen herkömmlichen und digitalen
Kommunikationskanälen und wollen selbst entscheiden, wann und wie sie
mit ihrer Versicherung in Kontakt treten. Die aktuelle Studie
"Versicherungen: Die digitale Herausforderung" der internationalen
Managementberatung Bain & Company offenbart den Handlungsdruck der
Unternehmen und zeigt entlang von sieben Stellhebeln, wie sie ihr
Geschäftsmodell weiterentwickeln können.
Dienstleistungsbranchen wie Einzelhandel und Touristik müssen sich
bereits seit Jahren mit der Umwälzung ihrer Geschäftsmodelle infolge
der Digitalisierung auseinandersetzen. Dagegen hat die
Versicherungsbranche den Wandel im Kundenverhalten bislang nur wenig
gespürt. Schutz bot vor allem die vergleichsweise geringe
Kontaktfrequenz gerade bei langfristig laufenden Produkten wie
Lebensversicherungen. Doch der daraus erwachsene Mythos der nicht
vorhandenen Wechselbereitschaft hält dem Realitätstest nicht länger
stand: Knapp 40 Prozent der Versicherungskunden in Deutschland sind
mittlerweile wechselwillig.
Die im Rahmen der Bain-Studie durchgeführte repräsentative
Befragung von mehr als 2.500 Privatkunden aller führenden deutschen
Versicherungen zeigt, in welchem Ausmaß die fortschreitende
Digitalisierung das Versicherungsgeschäft beeinflussen wird. Nach
Ãœberzeugung von rund 60 Prozent der Befragten sind webbasierte
Kommunikationskanäle künftig bei Interaktionen mit dem
Versicherungsunternehmen am wichtigsten. Ob bei Beratung,
Vertragsabschluss oder Schadensmeldung: Kunden erwarten von ihrem
Versicherer ein umfassendes digitales Angebot (vgl. Abb. 1). Und das
geht weit über die klassische Webseite hinaus. Für die Versicherten
sind Smartphones, Tablet-PCs und mobile Webseiten ebenso wie Apps,
Chats und Online-Communitys wichtige Kontaktmöglichkeiten mit ihrem
Anbieter.
Ganzheitliche Strategien sind gefragt
Digitalisierung ist für die Versicherungsbranche längst kein
Fremdwort mehr. Das Gros der Unternehmen verfügt bereits über eine
Onlinepräsenz, auch zeigen immer mehr Anbieter in sozialen Netzwerken
Flagge. Darüber hinaus setzen viele Versicherer auf Apps, um die
Interaktion mit ihren Kunden zu vereinfachen. Trend ist es zudem, den
Außendienst mit mobilen Endgeräten auszustatten. Dr. Henrik Naujoks,
Autor der Studie und Partner bei Bain & Company, sieht jedoch ein
wesentliches Manko: "All diese Aktivitäten verlieren sich zumeist in
Einzelinitiativen. Die tun keinem weh und passen bestens in das
althergebrachte Geschäftsmodell. Entscheidend aber ist, die
Initiativen in einen funktions- und bereichsübergreifenden Ansatz zu
integrieren. Nur wenn die Versicherer ihre silohaft organisierten
Geschäftsmodelle aufbrechen, können sie dem grundlegend veränderten
Kundenverhalten gerecht werden."
Sieben Stellhebel für den Erfolg im digitalen Zeitalter
Der Aufbau der Omnikanalfähigkeit - und damit die Vereinigung
digitaler und analoger Angebote - zählt zu den unverzichtbaren
Maßnahmen einer erfolgreichen Digitalisierungsstrategie. Bain hat
sieben Stellhebel identifiziert, um die digitale Herausforderung zu
meistern (vgl. Abb. 2).
1. Auf Kundenbedürfnisse fokussieren: Zufriedene, loyale
Versicherte sind der Treiber des Erfolgs im digitalen Zeitalter. Ihre
Bedürfnisse sowie ihr spezifisches Verhalten gilt es zu verstehen und
zu befriedigen. Jede erfolgreiche Digitalisierungsstrategie setzt auf
einer klaren Kundenstrategie auf.
2. Den Weg hin zum Omnikanal ebnen: König Kunde macht im digitalen
Zeitalter keine Unterschiede zwischen einzelnen
Kommunikationskanälen. Er erwartet, dass sämtliche Informationen
jederzeit auf allen Kanälen verfügbar sind und er selbst entscheiden
kann, wann und wie er mit einem Unternehmen in Kontakt tritt. Die
Versicherungen müssen sich auf den Ausbau der Kommunikationskanäle
und die Mengenverschiebung hin zu digitalen Kanälen einstellen.
3. Die traditionellen Vertriebskanäle unterstützen: Selbstständige
Agenten oder Makler sind in den Augen der Kunden weiterhin wichtige
Ansprechpartner. Die Versicherer sollten daher ihren Partnern beim
Übergang ins digitale Zeitalter so weit wie möglich helfen.
Gleichzeitig sind die technologischen Voraussetzungen für eine
effektive Betreuung zu schaffen.
4. Die operativen Kernaktivitäten anpassen: Der richtige Einsatz
digitaler Technologien steigert Effizienz und Profitabilität. Der
Ausbau von Selfservice-Angeboten wie die automatisierte Meldung von
Kfz-Schäden über Apps oder die Einreichung digitaler Rechnungen bei
der Krankenversicherung kann ebenso einen wichtigen Beitrag leisten
wie die Nutzung von Kundendaten für eine individuelle
Prämienkalkulation.
5. Die IT weiterentwickeln und ausbauen: Eine erfolgreiche
Digitalisierung erfordert die Weiterentwicklung der IT. Das ist eine
Herkulesaufgabe, denn weltweit arbeiten mehr als zwei Drittel der
Schaden- und Lebensversicherer noch mit Systemen aus den 1970er- und
1980er-Jahren.
6. Die Organisation an die neuen Rahmenbedingungen anpassen: Den
Wandel zu einer kundenzentrierten Organisation sollten Versicherer
mit einem umfassenden Change-Management-Prozess begleiten.
7. Das Geschäftsmodell schützen: Neue Technologien und neue
Anbieter bedrohen bestehende Geschäftsmodelle im Versicherungsmarkt.
Eine kontinuierliche Marktbeobachtung trägt dazu bei, potenzielle
Angriffe frühzeitig zu erkennen und zu parieren.
Die sieben Stellhebel zeigen, dass die Weiterentwicklung des
Geschäftsmodells sämtliche Bereiche einer Versicherung erfasst, nicht
nur die kundennahen. "Die Digitalisierung bietet die Chance, die
Beratung qualifizierter und attraktiver zu gestalten", betont Dr.
Gero Matouschek, Versicherungsexperte und Co-Autor der Studie.
"Darüber hinaus ermöglicht sie eine differenziertere Kundenbetreuung
im Vertrieb. Voraussetzung ist allerdings, dass die Versicherungen
ihren Vertriebsansatz signifikant weiterentwickeln."
Die Anpassung der operativen Kernaktivitäten und die von Kunden
gewünschte Übertragung ganzer Arbeitsschritte wie das Erfassen von
Schäden birgt erhebliches Potenzial zur Effizienzsteigerung. Aufgrund
der Relevanz der Digitalisierung auf allen Wertschöpfungsstufen und
in allen Sparten ist es erfolgskritisch eine Digitalisierungs-Roadmap
zu erstellen, die klaren Prioritäten folgt und weder in
Einzellösungen verharrt noch versucht alle Themen zu lösen.
Voraussetzung dafür ist ein klares Verständnis, wie Digitalisierung
die Strategie unterstützen und welche primäre Zielrichtung verfolgt
werden soll, zum Beispiel Kostensenkung oder Kundenservice.
Rasches Handeln ist das Gebot der Stunde
"Die Zukunft der Versicherung ist zweifelsohne digital", erklärt
Bain-Partner Naujoks. "Der Ausbau des digitalen Leistungsspektrums
lohnt sich aber nicht nur mit Blick auf die Kunden und ihre
Bedürfnisse, sondern auch im Hinblick auf eine nachhaltige
Verbesserung der Kostenposition. Wer die digitale Herausforderung
zügig meistert, dürfte in den kommenden Jahren zu den Gewinnern am
Markt zählen." Die hohe Innovationsgeschwindigkeit im
Technologiesektor macht es allerdings schwierig, die
Erfolgsaussichten zuverlässig einzuschätzen. "Gefragt sind
Flexibilität und die Bereitschaft, verschiedene Wege zu testen und
einzelne Maßnahmen je nach Markterfolg auszubauen oder zu stoppen",
so Bain-Partner Matouschek. "Das erfordert ein grundlegendes Umdenken
in einer Branche, die es bislang gewohnt war, in Silos und in sehr
langen Zeiträumen zu agieren."
Die Umwälzungen in Bereichen mit häufigen Interaktionen, allen
voran die Kfz-Versicherung, sind Vorboten der Digitalisierung der
Branche. Bei Kfz-Versicherungen erfolgt bereits heute jeder dritte
Policenwechsel in Deutschland online. Viel Zeit bleibt den
Unternehmen nach Ãœberzeugung des Bain-Experten Naujoks nicht mehr:
"Die Versicherer müssen digitale Angebote möglichst rasch als
integralen Bestandteil ihrer Wertschöpfung akzeptieren. Ansonsten
werden sie im Wettbewerb mit Branchenvorreitern und Branchenfremden
das Nachsehen haben."
Pressekontakt:
Leila Kunstmann-Seik, Bain & Company Germany, Inc., Karlsplatz 1,
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