(ots) - Rückblick: 22. September, 18.01 Uhr. Nach der
ersten Prognose zu den Bundestagswahlen steht für viele
Politik-Beobachter fest: Deutschland will Merkel als Kanzlerin - und
die Union zusammen mit der SPD als Koalitionspartner in einer neuen
Regierung.
Heute, fast zwei Wochen später, treffen sich die Union und die SPD
zu ersten Sondierungsgesprächen über mögliche
Koalitionsverhandlungen. Doch auch eine andere Option ist plötzlich
nicht mehr ausgeschlossen: Schwarz-Grün. Was auch daran liegt, dass
die SPD nach der Wahl noch immer ohne Orientierung ist.
Die Sozialdemokraten sind sich nicht einig, ob sie lieber regieren
oder auf der Oppositionsbank Platz nehmen wollen. Die Perspektive, im
Bund mitzuregieren und zu gestalten, scheint vor allem für Parteichef
Gabriel und den Fraktionsvorsitzendern Steinmeier verlockend. Dort
warten attraktive Ministerressorts auf Gabriel (Arbeit) und
Steinmeier (Finanzen). Nach der nächsten Bundestagswahl werden sie
vermutlich nicht mehr die erste Geige bei der SPD spielen.
Aber da ist noch die SPD-Basis. Sie steht den Gesprächen mit der
Union widerwillig gegenüber. Denn in einer großen Koalition ist erst
einmal nur die Kanzlerin groß. Zu frisch sind Erinnerungen an das
Wahldebakel von 2009, als die SPD nach einer großen Koalition mit der
Union mit 23 Prozent ihr bisher schlechtestes Wahlergebnis
eingefahren hat. Der Auftrag an die SPD-Unterhändler ist vor den
Sondierungsgesprächen daher klar: Möglichst wenig Zugeständnisse
machen.
Ob das die Verhandlungen mit der Union beeinflussen mag, ist aber
fraglich. Denn die Union hat plötzlich mit den Grünen einen
potentiellen Koalitionspartner in der Hinterhand. Weil die Ökopartei
in den vergangenen Tagen still und heimlich dafür Sympathien
entwickelt hat, in einer Regierung mit der Union als Juniorpartner
mitzuwirken. Laut sagen will das bei den Grünen aus taktischen
Gründen natürlich niemand.
Doch fest steht: Durch die Rücktritte der linken Ü-55-Generation
Trittin, Roth und Künast ist das Eis zwischen den beiden Parteien
nicht mehr so dick. Realos wie Özdemir und Kretschmann plädieren
schon länger für eine Zusammenarbeit mit der Union. Die Richtung von
Özdemir und Kretschmann ist ohnehin klar: Sie wollen die Grünen von
einer linken Oppositionspartei zu einer ökologischen
Gestaltungspartei formen. Das erleichtert die Verhandlungen für die
Union.
Egal, wie sich die Dinge in den nächsten Wochen entwickeln werden
- das Heft des Handelns liegt weiter bei der Kanzlerin. Mögliche
Neuwahlen durch eine Blockadehaltung wollen sowohl die SPD als auch
die Grünen nicht riskieren. Denn bei einem zweiten Anlauf könnten
beide Parteien noch mehr Stimmen verlieren - und Merkel die absolute
Mehrheit gewinnen. Keine verlockende Aussicht.
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Oldenburgische Volkszeitung
Andreas Kathe
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