(ots) - Vor der Präsidentenwahl in Aserbaidschan fordert
Reporter ohne Grenzen (ROG) die Regierung in Baku auf, die Rechte von
Journalisten zu wahren und eine unabhängige Berichterstattung
zuzulassen. Ungeachtet aller Beteuerungen des Regimes von Präsident
Ilcham Alijew hat sich die ohnehin desolate Situation für unabhängige
Berichterstatter vor der Wahl am kommenden Mittwoch (9. Oktober)
weiter verschlechtert. Journalisten leiden unter drastischen
Gefängnisstrafen und Verleumdungskampagnen, Gesetze gegen
Online-Aktivisten wurden verschärft. Mit einer "schwarzen Liste"
versucht die Regierung, Beobachter aus dem Ausland fernzuhalten.
"Vor der Wahl hat die aserbaidschanische Regierung alles daran
gesetzt, eine unabhängige Berichterstattung über eventuelle
Manipulationen unmöglich zu machen", sagte ROG-Geschäftsführer
Christian Mihr. "Aserbaidschans internationale Partner müssen das
Regime von Präsident Alijew viel vehementer als bisher dazu drängen,
eine kritische Berichterstattung zuzulassen und die Vielzahl von
Angriffen auf Journalisten glaubwürdig zu verfolgen." Über die neun
Gegenkandidaten Alijews wird in den aserbaidschanischen Medien kaum
berichtet, dem gemeinsamen Wunschkandidaten der Opposition, Rustam
Ibragimbekow, wurde die Registrierung verweigert.
Mindestens 26 gewalttätige Übergriffe auf Journalisten zählte das
Institut für die Freiheit und Sicherheit von Reportern (IRFS), mit
dem ROG eng zusammenarbeitet, allein in der ersten Hälfte dieses
Jahres in Aserbaidschan (http://bit.ly/1aFFdqj). In keinem dieser
Fälle haben die Behörden ernsthaft ermittelt und die Verantwortlichen
zur Rechenschaft gezogen. Das gleiche gilt für die mehr als 200
Gewalttaten gegen Journalisten seit dem bis heute unaufgeklärten Mord
an Elmar Husejnow, dem Chefredakteur des Nachrichtenmagazins Monitor,
im Jahr 2005. Die Folge ist eine Atmosphäre der Angst unter
Journalisten.
Ende September saßen laut IRFS elf Journalisten, Blogger und
Online-Aktivisten aus politischen Gründen in aserbaidschanischen
Gefängnissen (http://bit.ly/171ez7l). Bei mindestens fünf von ihnen
ist ROG davon überzeugt, dass dies in unmittelbarem Zusammenhang mit
ihrer journalistischen Tätigkeit steht. So wurde am 27. September
Hilal Mammadow, der Herausgeber der Minderheitenzeitung Tolishi Sado,
wegen fragwürdiger Drogenvorwürfe und Hochverrats zu fünf Jahren Haft
verurteilt (http://bit.ly/1bfJvEZ). Am 11. September bestätigte das
Oberste Gericht die neunjährige Haftstrafe für Awas Sejnalli, den
Herausgeber der Zeitung Khural, der im Oktober 2011 kurz nach der
Veröffentlichung eines kritischen Artikels über den Präsidenten
verhaftet wurde. Die Einrichtung seiner Redaktion wurde nach mehreren
Klagen beschlagnahmt (http://bit.ly/YneIjk).
Kritische Journalisten werden in Aserbaidschan unvermindert
eingeschüchtert und bedroht. So sieht sich die für ihre Recherchen
über Machtmissbrauch und Korruption bekannte Reporterin Khadija
Ismajilowa seit April erneut damit konfrontiert, dass wie schon
einmal im Frühjahr 2012 regierungsnahe Medien heimlich aufgenommene
oder gefälschte Videoaufnahmen von im Internet lancierten, die sie in
intimen Situationen zeigen (http://bit.ly/19hvQfJ). Die wichtigste
Oppositionszeitung Asadlig wurde mit überzogenen
Entschädigungsurteilen an den Rand des finanziellen Ruins getrieben
(http://bit.ly/12d5dsd). Der Blogger Emin Milli hat nach wiederholten
Festnahmen Aserbaidschan verlassen und mit dem Satelliten- und
Internetfernsehsender Meydan TV (http://www.meydan-tv.com/) von
Berlin aus einen Kanal für kritische Stimmen geschaffen, dessen
Empfang in Aserbaidschan bereits gestört wurde.
Das Internet hat angesichts der dominierenden Rolle von
regierungsfreundlichen Fernsehsendern und der wirtschaftlich prekären
Lage vieler unabhängiger Printmedien große Bedeutung für
regimekritische Stimmen in Aserbaidschan. Doch auch in diesem Bereich
verschärft die Staatsführung den Druck. So verabschiedete das
Parlament im Mai 2013 mehrere Gesetzesänderungen, mit denen
Verleumdung und üble Nachrede im Internet explizit unter Strafe
gestellt werden. In schweren Fällen drohen bis zu drei Jahre Haft.
Dies soll Online-Aktivisten offenkundig einschüchtern, denn eine
Regelungslücke gab es nicht: Schon die zuvor für alle Medien
geltenden Gesetze deckten Internetpublikationen mit ab. Zudem
widersprechen die Verschärfungen dem 2011 von Präsident Alijew
verkündeten "Nationalen Aktionsplan", der versprach den dutzendfach
gegen Journalisten eingesetzten Tatbestand der Verleumdung aus dem
Strafrecht herauszunehmen.
Kritische Beobachter aus dem Ausland hält die Regierung in Baku in
jüngster Zeit mit einer "schwarzen Liste" (http://bit.ly/11AzL51)
unerwünschter Personen aus dem Land fern. Diese auf den
Internetseiten des Außenministeriums veröffentlichte Liste enthält
die Namen von Journalisten, Wissenschaftlern und Politikern unter
anderem aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, aber auch aus
Russland, Frankreich und vielen anderen Ländern, denen keine Visa
erteilt werden sollen. Ihnen wird vorgeworfen, unerlaubt die zwischen
Aserbaidschan und Armenien umstrittene Region Berg-Karabach besucht
zu haben. Journalisten, die zur Präsidentenwahl ein Visum
beantragten, wurden zu ihren früheren Veröffentlichungen mit
Aserbaidschan-Bezug befragt und aufgefordert, sich für illegale
Besuche in Berg-Karabach zu entschuldigen.
Reporter ohne Grenzen zählt den aserbaidschanischen Präsidenten
Ilcham Alijew zu den größten Feinden der Pressefreiheit weltweit. Auf
der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit steht das südkaukasische
Land auf Platz 156 von 179.
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer
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