PresseKat - Anlegerfreundliche BGH-Urteile uminterpretiert: Viele Schiffsfonds sehen Entscheidungen als Bestät

Anlegerfreundliche BGH-Urteile uminterpretiert: Viele Schiffsfonds sehen Entscheidungen als Bestätigung ihrer Rückzahlungsforderungen

ID: 958876

Seit dem 10. Juni liegt die schriftliche Begründung des Urteils II ZR 73/11 des BGH zu maroden Schiffsfonds vor. Darin führt der BGH aus, dass ungeachtet der Verbraucherschutzvorschriften des BGB, die das eigentlich ausschließen, auch Gesellschaftsverträge der Schiffsfonds einer ähnlichen Auslegung unterliegen und die sogenannte Unklarheitenregel anzuwenden ist. Diese besagt, dass eine Vertragsklausel nur dann gilt, wenn sie für den Vertragspartner auch klar verständlich ist. Anleger, in deren Verträgen also Bedingungen stehen, in denen Rückzahlungspflichten nicht klipp und klar formuliert, sondern zum Beispiel nur als „Darlehen“ verklausuliert sind, müssen damit an die Schiffsfonds selbst keine Rückzahlungen mehr leisten.

(firmenpresse) - Viele Fonds setzen aber auf die Unwissenheit ihrer Anleger und interpretieren die Urteile so, dass eine Rückzahlungsforderung berechtigt sei, sobald sich die relevanten Vertragsformulierungen der beiden BGH-Fälle – beim einen wird auf ein „Darlehenskonto“ verbucht, beim anderen handelt es sich bei den Ausschüttungen um eine „Darlehensverbindlichkeit“ – nicht wörtlich in ihren Gesellschaftsverträgen wiederfinden. Solange die Klauseln zu Rückzahlungspflichten für den Anleger nicht klar verständlich sind, ist der konkrete Wortlaut in diesem Zusammenhang jedoch irrelevant. Anleger sollten sich durch erneute Aufforderungen oder Drohungen nicht einschüchtern lassen, sie sind in diesen Fällen gegenüber den Gesellschaften nicht zu einer Rückzahlung verpflichtet.


Herr Dr. Creon, seit dem 10. Juni liegt die Begründung des BGH-Urteils II ZR 73/11 nun im Wortlaut vor. An welchen Stellen kann die schriftliche Fassung vorhergehende Einschätzungen zum Urteil konkretisieren?

„Bei einer ersten Analyse kristallisieren sich zwei wesentliche Punkte heraus: Der BGH stellt zum einen klar, dass ein Schiffsfonds bei einer Vertragsgestaltung wie im vorliegenden Fall von den Kommanditisten der Gesellschaft, also den Anlegern, keine ausgezahlten Gelder mehr zurückfordern kann. Zum anderen betont der Gerichtshof, dass ein Fonds grundsätzlich sehr wohl eine Rückzahlung verlangen darf – allerdings nur, wenn im Gesellschaftsvertrag klar und unmissverständlich steht, dass der Anleger damit rechnen muss, dass er „ausgeschüttete“ Gelder während der Fondslaufzeit wieder zurückzuzahlen hat. Dieser Sachverhalt muss laut BGH für den Anleger auf Basis des Vertrags klar und deutlich erkennbar sein.


Trotz dieses und eines weiteren anlegerfreundlichen BGH-Urteils sind viele Fonds wieder dazu übergegangen, Rückzahlungen zu fordern. Sie behaupten, dass die Urteile nicht auf ihre Verträge übertragbar seien. Wie schätzen Sie diese Argumentation ein?





„Die Fondsgesellschaften sind ziemlich gewieft und setzen hier erneut auf die Unsicherheit und Unwissenheit der Anleger. Ihre Vertragsklauseln sind häufig für den Laien nicht weniger unklar und unverständlich als die der in den BGH-Fällen untersuchten Verträge, wo mit den Begriffen „Darlehenskonto“ und „Darlehensverbindlichkeit“ gearbeitet wurde. Doch sobald sich in einem Gesellschaftsvertrag keine mit den BGH-Fällen identischen Formulierungen finden, interpretieren die Fonds die Urteile als Bestätigung dafür, Rückzahlungen einfordern zu dürfen. Darüber hinaus wird angeführt, dass im Anschluss an die Veröffentlichung der Urteilsbegründung des BGH viele andere Gesellschafter ihre Rückzahlungen bereits geleistet hätten. Meine Kanzlei ist in eine Vielzahl von Fällen involviert, in denen nun so vorgegangen wird.“


Zwei aktuelle Fälle:
Die MS „Wehr Blankenese“ Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG und die „Hansa Trondheim“ mbH & Co. KG fordern ihre Anleger dazu auf, Rückzahlungen zu leisten, da diese auf Grundlage der BGH-Urteile rechtens seien. Die Gesellschaft „Hansa Trondheim“ beispielsweise begründet dies damit, dass sich in § 13 ihres Gesellschaftsvertrages „eine klare Regelung zur Gewährung der Ausschüttungen aus Liquidität als Darlehen“ finde. Der Paragraf liest sich wie folgt:

„Ausschüttungen von Liquiditätsüberschüssen werden den Kommanditisten als unverzinsliche Darlehen gewährt (..).“

Der entsprechende Passus im Gesellschaftsvertrag des Fonds „Wehr Blankenese“ klingt sehr ähnlich:

„Soweit Auszahlungen von Liquiditätsüberschüssen vorgenommen werden, werden sie den Kommanditisten als unverzinsliche Darlehen gewährt (…).“

„Meiner Ansicht nach ist bei den oben genannten Vertragsklauseln – die auch bei vielen anderen Fonds verwendet werden – die Bedingung des BGH, dass Rückzahlungen nur dann eingefordert werden dürfen, wenn klipp und klar im Vertrag steht, dass der Anleger die ‚Ausschüttungen‘ oder ‚Liquiditätsüberschüsse‘ eventuell wieder zurückzahlen muss, nicht erfüllt. In den konkreten Fällen sind unsere Mandanten keinesfalls verpflichtet, Ausschüttungen wieder zurückzuzahlen.“


Wie sollen betroffene Anleger auf erneute Rückforderungen reagieren?

„Für die Anleger steht natürlich im Vordergrund, keine Zahlungen leisten zu müssen. Im ersten Schritt reicht es daher aus, den Zahlungsaufforderungen nicht nachzukommen. Denn solange die Gesellschaft keine Klage erhebt, hat die Weigerung für den Anleger keinerlei negative Konsequenzen. Droht die Gesellschaft mit einer Klage beziehungsweise strebt eine solche an, sollte der Anleger zum Rechtsanwalt gehen. Möchte er Klarheit und endlich Ruhe vor dem Fonds haben, besteht die Möglichkeit, eine sogenannte negative Feststellungklage zu erheben. Auf Basis des BGH-Urteils stehen die Chancen gut, dass im Verfahren festgestellt wird, dass der Fonds keine Ansprüche auf die ausgezahlten ‚Darlehen‘ hat. Fällt das Urteil so aus, schiebt dies einer Klage der Gesellschaft auf Rückzahlung automatisch und endgültig einen Riegel vor.“


Wie wirken sich die Urteile auf die Rechte des Insolvenzverwalters aus?

„Seine Rechte bleiben davon unberührt. Droht ein Fonds insolvent zu werden, sind die Anleger als Kommanditisten gemäß HGB gegenüber Dritten in Höhe der Einlage, also mit ihrem gesamten investierten Geld, haftbar. Und zwar unbegrenzt, was bedeutet, dass es für Rückforderungen eines Insolvenzverwalters keine Verjährungsfrist gibt. Die Einlagenhöhe lässt sich dabei ganz einfach dem Handelsregister entnehmen. Konkret bedeutet das: Hat die Fondsgesellschaft einen Teil der Kommanditeinlage an den Anleger zurückgezahlt, kann der Insolvenzverwalter grundsätzlich alle Ausschüttungen bis zur dort dokumentierten Höhe wieder einfordern. Um diese Summe bestimmen zu können, müsste geklärt werden, welche Ausschüttungen genau die Haftsumme verringert haben. Wird diese Auffüllung nicht vorgenommen, haften die Anleger mit ihrem Gesamtvermögen bis zur Haftsumme. Dies gilt auch noch bis zu fünf Jahre nach einem etwaigen Verkauf ihres Kommanditanteils, wenn die Einlage zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht mehr vollständig war. Nicht betroffen von einer Rückzahlungspflicht sind dagegen Ausschüttungen, bei denen es sich tatsächlich um einen Gewinn handelt. Der Anleger darf sie unbegrenzt behalten.“

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Unternehmensinformation / Kurzprofil:

In den letzten 20 Jahren haben deutsche Anleger rund 30 Milliarden Euro in geschlossene Schiffsfonds investiert, die lange als sichere Geldanlage galten. Doch nun sind schon mehr als 180 fondsfinanzierte Schiffe pleite, 2013 wird es voraussichtlich zu vielen weiteren Notverkäufen und Insolvenzen kommen. Davon betroffen sind auch viele Ärzte, da Schiffsbeteiligungen gerade Medizinern über viele Jahre als Steuersparmodell empfohlen wurden. Die meisten Anleger hielten das Modell für solide, da sie oft jahrelang regelmäßig Ausschüttungen bekamen. Was viele nicht wussten: Die sogenannten gewinnunabhängigen Ausschüttungen sind während der ersten Jahre der Laufzeit eines Schiffsfonds in der Regel lediglich Rückzahlungen der Kapitaleinlage, also keine Gewinne. Denn bei den Schiffsfonds handelt es sich nicht um eine klassische Wertpapieranlage. Die Fonds sind überwiegend in der Gesellschaftsform GmbH & Co. KG organisiert, was die „Anleger“ durch ihre Beteiligung zu Gesellschaftern, also Mitunternehmern macht. Das ist nicht nur mit Chancen wie etwa Steuererleichterungen verbunden, sondern auch mit vielen Risiken – insbesondere, da es für die Gesellschafter keinen staatlichen Anlegerschutz gibt und die deutschen Reeder mithilfe des Anlegergelds wesentlich mehr Schiffe bauten, als der Markt benötigte.

In der finanziellen Krise fordern viele Fondsgesellschaften die gewinnunabhängigen Ausschüttungen nun teilweise zurück. Sie stützen sich dabei auf trickreiche Vertragsklauseln, auf deren Grundlage die Ausschüttungen als Darlehen interpretiert werden, die im Notfall zurückzuzahlen sind. Entgegen den Urteilen verschiedener Amts-, Land- und Oberlandesgerichte, die dieser Auslegung folgten, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am 12. März 2013 jedoch in zwei Fällen (Az.: II ZR 73/11 und 74/11), dass die Gesellschaften die liquiditätsunabhängigen Ausschüttungen nur zurückfordern dürfen, wenn das im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich geregelt ist. Zwar sei in den beiden Fällen im Vertrag von Darlehenskonto und Darlehensverbindlichkeit die Rede, die Verwendung solcher Begriffe sei für die Anleger aber missverständlich, weshalb sich kein Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft ergebe.



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Datum: 09.10.2013 - 11:31 Uhr
Sprache: Deutsch
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Meldungsart: Interview
Versandart: Veröffentlichung
Freigabedatum: 09.10.2013

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