(ots) - Libysches Dilemma
Ein unvorstellbarer Coup ist Bewaffneten in Libyen gelungen, indem
sie Ministerpräsident Ali Seidan entführt haben. Auch wenn der wieder
freigelassen wurde: Bei keinem anderen Opfer wäre die Botschaft
deutlicher gewesen, dass der Staat keine Macht hat in dem
nordafrikanischen Land, die Milizen dafür umso mehr. Von Stabilität
und Ordnung ist Libyen seit dem Sturz von Langzeit-Machthaber Muammar
Gaddafi vor zwei Jahren Lichtjahre entfernt.
Die Tat beweist, dass die Eingliederung von Rebellengruppen in
staatliche Strukturen gescheitert ist. Vielmehr driftet Libyen immer
tiefer hinab in die Anarchie, die Zentralregierung ringt erfolglos um
Einfluss. Angesichts des Machtvakuums etablieren sich einzelne Clans
und Milizen. Diese Entwicklung müsste den Westen bereits seit
Längerem in Angst und Schrecken versetzen. Denn ein destabilisiertes
Libyen ist eine Brutstätte für Terroristen - unmittelbar an der
Grenze zu Europa.
Nicht nur das: Den Kampf der Aufständischen gegen Gaddafi haben
amerikanische, britische und französische Flugzeuge tatkräftig
unterstützt. Deutschland hat sich zwar militärisch rausgehalten,
wurde aber wie die Alliierten nicht müde, den Libyern Hilfe beim
Staatsaufbau nach der Gaddafi-Ära zuzusagen. Doch wo ist diese
Unterstützung, die westliche Politiker so großzügig zu verteilen
gedachten? Von ihr ist nichts zu sehen. Am libyschen Dilemma trägt
der Westen daher eine Mitschuld.
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