(ots) - Das Deutsche Institut für Menschenrechte fordert
den neuen Bundestag und die künftige Bundesregierung auf, zügig einen
umfassenden Gesetzentwurf zu Menschenhandel vorzulegen, der die
Rechte der Betroffenen stärkt. "Weder hat Deutschland die
EU-Richtlinie gegen Menschenhandel umgesetzt, noch die
Verpflichtungen aus der Europaratskonvention zur Bekämpfung von
Menschenhandel erfüllt. Eine gesetzliche Stärkung der Aufenthalts-
und Entschädigungsrechte von Betroffenen ist jetzt dringend
erforderlich", erklärte Petra Follmar-Otto, Leiterin der Abteilung
Menschenrechtspolitik Inland/Europa am Deutschen Institut für
Menschenrechte.
"Dabei sollten Betroffene von Menschenhandel einen
Aufenthaltstitel unabhängig davon erhalten, ob sie bereit sind, in
einem Strafverfahren gegen die Täter mit den Strafverfolgungsbehörden
zu kooperieren; zumindest aber diejenigen Betroffenen, die als
Zeuginnen ausgesagt haben, sowie minderjährige Betroffene und
diejenigen, die ihre eigenen Rechtsansprüche auf Lohn und
Schadenersatz in Deutschland durchsetzen wollen", so Follmar-Otto
weiter. "Auch muss allen Betroffenen ein Anspruch auf Entschädigung
nach dem Opferentschädigungsgesetz eingeräumt werden." Zudem solle
die Bundesregierung eine unabhängige Berichterstatterstelle in Bezug
auf alle Formen des Menschenhandels einrichten, um eine effektive und
wissenschaftsbasierte Bekämpfung von Menschenhandel zu gewährleisten.
Betroffene von Menschenhandel werden in Deutschland nach wie vor
primär als Zeugen und Zeuginnen in Strafverfahren betrachtet.
Dementsprechend gestalten sich ihre Rechte aus. Sind sie
Drittstaatsangehörige erhalten sie einen Aufenthaltstitel nur, wenn
sie gegen die Täter und Täterinnen im Strafverfahren aussagen können.
Während des Verfahrens haben sie kaum Zugang zu Qualifizierungs- oder
Arbeitsmöglichkeiten. Danach müssen sie Deutschland verlassen. Das
gilt für Kinder wie für Erwachsene und unabhängig davon, ob sie vor
Gericht ihre eigenen Ansprüche auf Lohn und Schadenersatz gegen die
Täter durchgesetzt haben. Dies widerspricht der Europaratskonvention
gegen Menschenhandel, die für Minderjährige einen am Kindeswohl
orientierten Aufenthaltstitel vorschreibt. Auch ihre staatliche
Entschädigung hängt maßgeblich von der Durchführung eines
Strafverfahrens ab. Darüber hinaus haben Zugang zu staatlicher
Entschädigung nur die, die Opfer körperlicher Gewalt geworden sind.
Menschenhandel aufgrund der Bedrohung mit Gewalt oder der Bedrohung
von Kindern und anderen Familienangehörigen ist nach dem geltenden
Opferentschädigungsgesetz nicht entschädigungsfähig.
Deutschland hatte trotz Fristablauf im April 2013 und Mahnung der
EU-Kommission die EU-Richtlinie gegen Menschenhandel noch nicht
umgesetzt. Einen Gesetzesbeschluss des alten Bundestages, der sich
auf das Straf- und Gewerberecht beschränkte, stoppte der Bundesrat im
September. Die Europaratskonvention gegen Menschenhandel war zwar
Ende 2012 ratifiziert worden, ohne jedoch gesetzliche Verbesserungen
der Opferrechte vorzunehmen.
Anlässlich des Europäischen Tages gegen Menschenhandel stellt das
Deutsche Institut für Menschenrechte heute auch eine neue Publikation
vor, welche die aktuelle Rechtslage und Praxis in Bezug auf die
Betroffenenrechte analysiert und detaillierte Empfehlungen an
Behörden, Politik und Beratungsstellen zur Stärkung der
Menschenrechte der Betroffenen ausspricht.
Die Handreichung ist eine gemeinsame Publikation des Projektes
"Zwangsarbeit heute: Betroffene von Menschenhandel stärken" am
Deutschen Institut für Menschenrechte und des KOK e.V. - Bundesweiter
Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im
Migrationsprozess.
Das Projekt "Zwangsarbeit heute" wurde von 2009 bis 2013 in
Kooperation mit der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft"
durchgeführt.
Heike Rabe, Naile Tanis (2013): Menschenhandel als
Menschenrechtsverletzung - Strategien und Maßnahmen zur Stärkung der
Betroffenenrechte. Bundesweiter Koordinierungskreis gegen
Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess - KOK e.V. und
Institut für Menschenrechte, Berlin.
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