(ots) - Freund oder Feind?
Dass Botschaften schon früher als Refugium für Spione dienten, ist
kein Geheimnis. Wenn aber die Berichte zutreffen, dass die USA über
einen hoch technisierten Horchposten in ihrer Berliner Vertretung
aktiv die Kommunikation im Regierungsviertel abfischen, dann macht
diese Unverfrorenheit sprachlos. Man darf sich getrost von der Idee
verabschieden, dass die US-Behörden einen hilfreichen Beitrag zur
Aufklärung des Skandals leisten werden, zu offensichtlich ist ihre
Strategie, immer nur das zuzugeben, was ohnehin schon herausgekommen
ist. Dank des Informanten Edward Snowden, heißt das.
Andere Quellen als die von ihm entwendeten Dokumente stünden einem
Untersuchungsausschuss wohl nicht zur Verfügung. Umso bedeutsamer
wäre es, Snowden vor ein solches Gremium zu laden. Dass er dem Land
einen Dienst erwiesen hat, kann kein Politiker mehr leugnen. Und das
Hauptargument gegen ein Asylangebot, die Amerikaner nicht vor den
Kopf zu stoßen, hat sich nun wohl erledigt.
Es stellt ja niemand grundsätzlich die guten Beziehungen zu den
USA infrage. Dennoch ist es an der Zeit, das Verhältnis zu einer
Macht neu zu bewerten, die offenbar keine Partner mehr kennt, sondern
nur noch potenzielle Feinde, unsichere Alliierte und mutmaßliche
Terrornester. Wer nicht nur Feinde, sondern auch Freunde haben will,
sollte diese aber auch mit dem nötigen Respekt behandeln.
Maik Nolte
Pressekontakt:
Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion
Telefon: +49(0)541/310 207