(ots) -
Renten-Experte Bert Rürup empfiehlt der Politik eine Umsteuerung
der Rentenpolitik. Betriebsrenten sollten ein stärkeres Gewicht
erhalten, sagte der Wissenschaftler im Interview. Im Vergleich zu
individuellen Vorsorgeformen seien kollektive Systeme billiger und
effizienter, so der frühere Wirtschaftsweise, der sich außerdem für
eine höhere Verbindlichkeit der betrieblichen Altersversorgung
aussprach. Die Leistungsrücknahmen bei der gesetzlichen Rente würden
nach Lage der Dinge nur unzureichend durch die freiwillige Vorsorge Ã
la Riester kompensiert. "Wenn man für die zukünftigen Generationen
ein vernünftiges mischfinanziertes Alterssicherungsniveau haben will,
muss man den Verbreitungsgrad der kapitalgedeckten Zusatzversorgung
erhöhen", warnte Rürup.
Die Reform von 2004, die auch die Einführung der vollen Belastung
der Betriebsrenten mit Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen
brachte, war "Ergebnis einer Notoperation in einer misslichen
Finanzlagelage der gesetzlichen Krankenversicherung", meint Rürup im
Rückblick. Nachbesserungen wären deshalb angemessen. Anbieten würde
sich nach seiner Einschätzung der von den Arbeitnehmern und Rentnern
zu zahlende Anteil am Gesamtbeitrag.
Rürup hält Nachjustierungen im deutschen System der
Alterssicherung für erforderlich, eine "Total-Reform" jedoch für
ausgeschlossen. Wollte man z.B. - ungeachtet verfassungsrechtlicher
Probleme - die Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung
einbeziehen, "müsste man etwa 60 Jahre zwei Systeme parallel
finanzieren, und dieses problème de passage, dieses Übergangsproblem,
ist noch nie gelöst worden", erklärte der Wissenschaftler. Da es eine
"Big Bang-Reform" nicht geben könne, müsse man immer nachsteuern, was
leider auch zu Inkonsistenzen führen könne. Wir lebten "in einer seit
vielen Jahren verrechtlichen Welt", die man nicht nach Belieben
umkrempeln könne, so dass man sich Anpassungsproblemen stellen müsse,
so Rürup.
Vordringlich solle die Politik "das gesetzliche System armutsfest
machen, damit jeder, der langjährig Beiträge gezahlt hat, die
Gewissheit haben kann, im Alter nicht auf die Fürsorge angewiesen zu
sein", fordert Rürup. Dann würde die gesetzliche Rentenversicherung
für Geringverdiener attraktiver und sie hätten auch "einen größeren
Anreiz" selbst vorzusorgen. Sie müssten dann nicht mehr fürchten,
"dass ihre individuelle Vorsorge wie ihre gesetzliche Rente auf die
Grundsicherung angerechnet wird".
Hinsichtlich der notwendigen kapitalgedeckten Ergänzung der
gesetzlichen Rente würde er "gerne die Koordinaten mehr zur
Betriebsrente hin verschieben". Der Staat könne das jedoch nicht
verordnen, weil dies einem Eingriff in die Tarifautonomie gleichkäme.
Rürup zeigte sich aber davon überzeugt, dass man einen höheren
Abdeckungsgrad erreichen könne, wenn sich die Tarifvertragsparteien
verstärkt diesem Thema widmen, und er hofft, dass die neue
Bundesregierung sich ebenfalls in diese Richtung bewegen werde. Zudem
rechnet Rürup mit einer Renaissance der arbeitgeberfinanzierten bAV
als Instrument der unternehmerischen Personalpolitik.
Soll eine Altersversorgung in etwa den im Erwerbsleben gewohnten
Lebensstandard gewährleisten, mache eine Mischung von
Umlagefinanzierung und Kapitaldeckung Sinn, so das Fazit des
Ökonomen. Das "richtige" Verhältnis gäbe es nicht, er persönlich hält
"ein Verhältnis von etwa 2/3 Umlagerente zu 1/3 kapitalgedeckte
Zusatzversorgung für eine vernünftige Relation". Der größere Anteil
solle in jedem Fall bei der gesetzlichen Rente liegen, weil diese -
anders als die kapitalgedeckten Systeme - eine Reihe von Ausgleichs-
und Solidaritätselementen habe.
Das vollständige Video-Interview aus der Reihe "Auf den Punkt.
Karch fragt nach." finden Sie unter:
Links:
http://www.metallrente.de/DE/_yt/yt2.php
http://www.youtube.com/watch?v=gC6s4d-_pjE
http://www.metallrente.de
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