(ots) - "Wir dürfen uns von den sich abzeichnenden
Entwicklungen in der Altersstruktur unserer Gesellschaft nicht ins
Bockshorn jagen lassen, sondern müssen den demografischen Wandel als
Innovationsprozess begreifen, der uns zahlreiche neue Chancen und
Potenziale bietet", so Ulrich Silberbach, Bundesvorsitzender der
komba gewerkschaft und stellvertretender Bundesvorsitzender des
deutschen beamtenbundes und tarifunion (dbb), am 4. November 2013 im
dbb forum in Berlin beim dritten gemeinsamen Symposium von komba
gewerkschaft und Bertelsmann Stiftung. Rund 100 Führungskräfte und
Vertreter aus dem öffentlichen Dienst sowie die Referenten aus
Politik und Verbänden stellten sich dabei dem Thema "Kommune der
Zukunft".
Die Entwicklung der Kommunen in den kommenden Jahren sei ein
altes, aber nach wie vor brandaktuelles Thema, welches gerade bei den
laufenden Koalitionsverhandlungen an oberster Stelle gehöre.
Lebenswerte Kommunen seien nur mit einer ausreichend guten
finanziellen Ausstattung und nachhaltigen Strategien handlungsfähig
für die Herausforderungen der Zukunft, so Silberbach. "Jetzt können
mit einer Umstrukturierung althergebrachter Formen die Stellschrauben
für die Kommunen 2030 gestellt werden - dazu zwingen uns regelrecht
der demografische Wandel wie auch die Globalisierung."
Den öffentlichen Dienst nicht als Zustand, sondern als Prozess
begreifen
Dem Appell nach Bewusstseinswechsel auf Arbeitnehmer- und
Arbeitgeberseite schloss sich Dr. Gerd Landsberg, geschäftsführendes
Präsidialmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, an: "So,
wie sich die Gesellschaft ständig verändert und weiterentwickelt,
muss auch der öffentliche Dienst sich stetig modernisieren." Ob die
Menschen sich in ihrer Stadt oder Gemeinde sicher fühlen, ob die
Wirtschaft gute Rahmenbedingungen für Wachstum vorfindet und auf eine
leistungsfähige Infrastruktur vertrauen kann, hänge gerade vor dem
Hintergrund der Globalisierung ganz entscheidend von der Gestaltung
durch die Verwaltung vor Ort ab, so Dr. Landsberg. Das setze
allerdings voraus, dass der öffentliche Dienst attraktiv bleibt. Dies
gehe aber nicht mit einem anhaltenden Personalabbau bei
gleichzeitiger Erhöhung der Aufgabenfülle und -breite.
Das öffentliche Dienstrecht müsse weiterentwickelt, die Ausbildung
modernisiert, die Fortbildung verstärkt, Dienstherrenwechsel und die
Kooperationen zwischen Verwaltungen erleichtert werden. Es bedarf
weiterer Anstrengungen bei der Personalgewinnung und
Personalentwicklung sowie der interkulturellen Öffnung der
Verwaltungen. Dr. Landsberg: "Wenn wir diese Ziele im Auge behalten,
dienen wir den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch der
Zukunftsfähigkeit unseres Landes."
"Die Herausforderungen, denen sich die Städte und Gemeinden und
darin besonders die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in den
kommenden Jahrzehnten stellen müssen, erfordern die Zusammenarbeit
von Arbeitgebern, Politik und Gewerkschaften genauso wie die
Einbindung von Bund, Ländern und Bürgern, damit die Attraktivität der
Städte und Gemeinden als Lebens- und Arbeitsraum aufrecht erhalten
und erhöht werden kann", so Silberbach. Demografie sei keineswegs das
alleinige Problem der Kommunen, sondern die Realität, die alle und
alles in Deutschland schon seit langem beeinflusst. Hinzu käme die
Globalisierung, bei der ein lebenswertes und sicheres kommunales
Umfeld maßgeblich an Bedeutung gewonnen habe. "Insofern schaffen wir
es nur, wenn alle an einem Strang ziehen und Verantwortungen,
Strukturentwicklung und Zuständigkeiten vernünftig umverteilen",
fordert Silberbach.
Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienst stärken
Die Finanzierung kommunaler Haushalte und ebenso die
Aufrechterhaltung der finanziellen Handlungsfähigkeit der Kommunen
waren wesentliche Fragen der Veranstaltung über mögliche
Handlungsfelder der Zukunft. In ihrem Fazit zum Symposium betonte Dr.
Eva Lohse, Vizepräsidentin des Deutschen Städtetages und
Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen, dabei, dass es nicht sein
könne, dass Länder sich aufgrund ihrer eigenen Schuldenproblematik
aus der Pflicht nehmen, ihre Kommunen zu entlasten. Der Bund sei - so
auch eine Forderung des Deutschen Städtetages an die neue Regierung -
in der Verantwortung zu helfen - gesamtgesellschaftlich und
gesamtstaatlich. Dabei solle sich die Hilfe mehr nach dem Bedarf
orientieren und weniger nach Groß- oder Kleinstadt beziehungsweise
Ost oder West. Kooperationen zwischen Bund und Kommunen sollten
erleichtert, Mittel weniger über die "klebrigen Hände der Länder"
verteilt werden. Zudem solle die Gewerbesteuer als wichtige
Einnahmequelle erhalten bleiben und die interkommunale Zusammenarbeit
gefördert werden.
"Viele Stellschauben, an denen die Kommunen auch selbst drehen
könnten, sind am Anschlag. Es ist schlichtweg ein Skandal, dass der
öffentliche Dienst mit den haushalterischen Vorgaben der vergangenen
Jahre von der Politik sehenden Auges an den Rand seiner
Funktionsfähigkeit getrieben worden ist. Nachhaltige
Personalbedarfsplanung und -rekrutierung: Fehlanzeige.
Wettbewerbsfähige Einkommens- und Beschäftigungsbedingungen:
Fehlanzeige.
Ganzheitliches Gesundheitsmanagement, tragfähige
Diversifizierungsstrategien: Fehlanzeige. So ist kein Staat zu
machen", zeigte sich auch der komba-Bundesvorsitzende enttäuscht.
"Starke öffentliche Dienstleistungen, die die Einhaltung von Recht
und Gesetz, Daseinsvorsorge und eine funktionierende staatliche
Infrastruktur garantieren und damit ein international entscheidender
Standortfaktor sind, sind nicht zum Nulltarif zu haben."
Online-Umfrage: Wie sehen die Kommunen ihre Zukunft?
Dem Symposium vorausgegangen war diesmal eine von der Bertelsmann
Stiftung organisierte Online-Umfrage "Wie sehen die Kommunen ihre
Zukunft?" bei Hauptverwaltungsbeamten, Fraktionsvorsitzenden und
Personalräten. Deren Ergebnis stellte am Vormittag der Veranstaltung
Prof. Dr. Dr. Helmut Schneider, Lehrstuhl für Marketing und
Dialogmarketing der Steinbeis-Hochschule in Berlin, vor. Dabei
bewerteten die 1.288 Teilnehmer aus 800 Kommunen mit mehr als 5.000
Einwohnern ebenfalls die Kommunalfinanzen, aber auch altersgerechtes
Leben, Kinder-, Jugend- und Familienhilfe sowie Schulträgeraufgaben
als die wichtigsten und gleichzeitig herausforderndsten kommunalen
Handlungsfelder der Zukunft. Als zentrale Lösungsstrategien in diesen
Handlungsfeldern seien aus ihrer Sicht die interkommunale
Kooperation, auch besonders im Öffentlichen Personen-Nahverkehr, und
im Bereich eines altersgerechten Lebens eine stärkere Einbeziehung
der Bürger sinnvoll und funktional, so Prof. Schneider. Aber auch
Bund und Länder müssten bei der Aufgabenverteilung mehr eingebunden
werden und sich strikt an die Konnexität halten.
Bei der Frage nach der Eignung des aktuellen Ausbildungssystems im
öffentlichen Sektor vor dem Hintergrund kommunaler Herausforderungen
der Zukunft zeigten sich die Befragten weitestgehend zufrieden.
Norman Rosenland, Bundesvorsitzender der komba jugend: "Die
Ausbildung der Nachwuchskräfte im öffentlichen Dienst ist überwiegend
gut. Die jungen Kolleginnen und Kollegen sind hochqualifiziert und
fit für die Zukunft. Damit jedoch das hohe Niveau gehalten werden
kann, ist es unabdingbar, den öffentlichen Dienst als Arbeitgeber
attraktiver zu machen. Das bedeutet: Neben der Sicherheit der
Arbeitsplätze, welche für junge Leute auch im öffentlichen Dienst
längst nicht mehr selbstverständlich ist, muss dringend etwas an den
Einstiegsgehältern getan werden - sie sind definitiv für junge Leute
zu niedrig und damit unattraktiv."
Weitere Informationen zum Symposium auf www.komba.de
Pressekontakt:
Antje Kümmel
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