(ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert die britische
Regierung auf, der Journalistin und Internet-Aktivistin Sarah
Harrison Freiheit und Sicherheit zu garantieren, sollte sie nach
Großbritannien zurückkehren wollen. Harrison hatte den Whistleblower
Edward Snowden bei seiner Flucht von Hongkong nach Moskau begleitet
und ihn danach vier Monate lang in Moskau unterstützt. Vor zehn Tagen
kam die britische Wikileaks-Mitarbeiterin nach Berlin. Dort halten
sich auch die US-amerikanischen Journalisten und Aktivisten Jacob
Appelbaum und Laura Poitras auf, die es ebenfalls für zu unsicher
halten, in ihre Heimat zurückzukehren.
"Erst durch die Enthüllungen von Edward Snowden haben wir
erfahren, wie massiv die US-amerikanischen und britischen
Geheimdienste Demokratie und Pressefreiheit weltweit bedrohen. Sarah
Harrison hat Snowden unterstützt, als sich die meisten Regierungen
der Welt ihm gegenüber verantwortungslos verhalten haben", sagte
ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin. "Whistleblower und ihre
Unterstützer helfen Journalisten oft unter großem persönlichem
Einsatz, Fehler von Regierungen und Behörden aufzudecken."
In einem auf der Plattform Wikileaks veröffentlichten Brief hatte
Sarah Harrison in der vergangenen Woche erklärt, dass es für sie
derzeit nicht sicher sei, nach Hause zurückzukehren
(http://bit.ly/1b9MZbd). Großbritannien verfügt zwar mit dem Public
Interest Disclosure Act von 1998 über ein sehr fortschrittliches
Gesetz zum Schutz von Whistleblowern, doch schränkt der Terrorism Act
aus dem Jahr 2006 die Pressefreiheit ein. Dieses Gesetz interpretiert
Terrorismus unter anderem als Handlung oder Androhung einer Handlung,
die das Ziel hat, eine Regierung politisch oder ideologisch zu
beeinflussen oder die nach Ansicht der Regierung ein Risiko für Teile
der Öffentlichkeit darstellt.
Die britische Regierung hat in der Vergangenheit völlig
unverhältnismäßig auf die Berichte über die Spionagetätigkeiten der
britischen und amerikanischen Geheimdienste reagiert, die nach
Auffassung der Geheimdienste die nationale Sicherheit gefährden.
Premierminister David Cameron hatte den Zeitungen vor wenigen Wochen
indirekt gedroht und gesagt, es werde schwer für die Regierung, sich
zurückzuhalten, wenn die Presse "kein Verantwortungsgefühl an den Tag
legt". (http://bit.ly/16GODhI)
Besonders die Zeitung Guardian, die als erste über Edward Snowden
und die umfassende Ãœberwachung der Geheimdienste berichtet hatte, ist
immer wieder von den Behörden schikaniert worden. Chefredakteur Alan
Rusbridger muss sich im Dezember vor dem Parlament für die
Berichterstattung seiner Zeitung rechtfertigen. 28 Abgeordnete hatten
ihn bereits in der vergangenen Woche aufgefordert, vor weiteren
Enthüllungen die britische Regierung zu konsultieren. Bereits im Juli
zwangen Mitarbeiter des Geheimdienstes GCHQ Guardian-Journalisten
dazu, Festplatten und Rechner zu zerstören, auf denen weitere
Snowden-Dateien gespeichert waren.
Besonders gravierend griff die Regierung Mitte August in die
Pressefreiheit ein, als sie David Miranda, den Lebensgefährten des
damaligen Guardian-Journalisten Glenn Greenwald, unter dem Vorwand
der Terrorismusbekämpfung neun Stunden lang am Londoner Flughafen
Heathrow festhalten ließ. Die Datenträger mit verschlüsselten
Dateien, die Miranda zu Greenwald nach Brasilien bringen wollte,
wurden beschlagnahmt. (http://bit.ly/18orKA9)
Der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte bei der
Bekämpfung von Terrorismus, Ben Emmerson, forderte die britischen
Behörden im September dazu auf, "ihre Methoden zu überprüfen und
sicherzugehen, dass sie tatsächlich die Verpflichtungen des
Vereinigten Königreichs gegenüber der Europäischen
Menschenrechts-Konvention respektieren, was das Recht auf Sicherheit,
Freiheit und das Recht auf Privatsphäre betrifft."
Großbritannien liegt auf der aktuellen ROG-Rangliste der
Pressefreiheit auf Platz 29 von 179 Staaten (http://bit.ly/19RCIU9).
Die Daten wurden vor Beginn der NSA-Enthüllungen erhoben.
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