(ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert die ägyptische
Regierung auf, mit der heute in Kraft tretenden Aufhebung des
Ausnahmezustands auch ihre Repressionen gegen Journalisten und Medien
zu beenden. Seit dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi sind
Journalisten in dem Land Militärprozessen, willkürlichen Festnahmen
und Misshandlungen in Haft ausgesetzt. Mehrere Medien, die den
Muslimbrüdern nahestehen oder den Kurs der vom Militär eingesetzten
Ãœbergangsregierung kritisierten, sind nach wie vor verboten. Selbst
höchste Stellen diffamieren ausländische Journalisten und Medien
öffentlich als vermeintlich tendenziös und feindlich gesinnt.
(http://bit.ly/Hmkxd6)
ROG-Geschäftsführer Christian Mihr forderte die sofortige
Freilassung aller Journalisten, die in Ägypten wegen der Ausübung
ihres Berufs festgehalten werden. "Willkürliche Verhaftungen,
Misshandlungen und Militärprozesse gegen Journalisten sind
unvereinbar mit der versprochenen politischen Normalisierung", sagte
Mihr. "Mehrere aktuelle Gesetzesvorhaben lassen befürchten, dass die
ägyptische Regierung die Pressefreiheit und andere Grundrechte
dauerhaft aushöhlen will."
Besorgniserregend ist mit Blick auf die Meinungsfreiheit vor allem
das geplante Anti-Terrorismus-Gesetz. Der Entwurf des
Innenministeriums definiert Terrorismus so vage, dass darunter auch
Aktivitäten friedlicher Oppositions- oder Menschenrechtsgruppen
verstanden werden können. Zugleich sieht er bis zu fünf Jahre Haft
für entsprechende Veröffentlichungen vor, weshalb ägyptische
Menschen- und Bürgerrechtler durch die Novelle auch die
Medienfreiheit bedroht sehen. (http://bit.ly/1fDvQcR)
Hintergrund solcher Warnungen ist ein offizieller Diskurs, der die
Muslimbruderschaft und andere Kritiker der derzeitigen Machthaber
seit drei Monaten gezielt in die Nähe des Terrorismus rückt.
(http://bit.ly/14STktm) Zugleich hintertreibt das geplante Gesetz die
positiven Ansätze des mit der Überarbeitung der Verfassung
beauftragten Ausschusses: Dieser will unter anderem verbieten, dass
Journalisten wegen ihrer Veröffentlichungen festgenommen werden.
Außerdem plädiert der Ausschuss dafür, die Lizenzpflicht für
Zeitungen abzuschaffen. (http://bit.ly/1gN12JK)
Wie dringend nötig solche Änderungen sind, zeigt die Anfang dieser
Woche bekanntgewordene Einleitung von Strafermittlungen gegen den
ehemaligen Chefredakteur der Zeitung Al-Masry Al-Youm, Magdy
Al-Galad, sowie gegen einen weiteren Journalisten des Blattes,
Mohamed Al-Sanhoury. Beide werden wegen eines Interviews von Januar
2012, in dem ein Richter Kritik an der Justiz geübt hatte, der üblen
Nachrede verdächtigt. (http://bit.ly/1aV5cNf)
Mindestens drei Journalisten wurden seit dem Sturz Mursis von
Militärgerichten verurteilt: Hatem Abou el-Nour von der Tageszeitung
Al-Watan, erhielt ein Jahr Haft, weil er sich bei Telefonrecherchen
als Angehöriger des Militärs ausgegeben habe. Der freie Journalist
Mohamed Sabry wurde zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt,
nachdem man ihm beim Fotografieren in einem Militärgebiet im
Nordsinai verhaftete. Ähnlich wie er hatte auch Ahmad Abu Deraa,
Korrespondent für Al-Masry Al-Youm, hatte über die Aktivitäten der
Armee auf dem Sinai berichtet. Er wurde nach wochenlanger
Untersuchungshaft zu sechs Monaten Gefängnis auf Bewährung sowie
einer Geldstrafe verurteilt. (http://bit.ly/17K0GP4)
Seit fast drei Monaten ist Metin Turan in ägyptischer Haft, ein
Korrespondent des türkischen Fernsehsenders TRT. In einem Brief an
den ägyptischen Ministerpräsidenten Hazem Al-Beblawi äußerte sich der
türkische Presserat Anfang dieser Woche besorgt über den
Gesundheitszustand des Journalisten, der unter sehr schlechten
Bedingungen festgehalten werde. (http://bit.ly/1dt24WC) Vor dem
Hintergrund der angespannten Beziehungen zwischen beiden Ländern
wurden auch mehrere andere türkische Journalisten festgenommen, kamen
aber jeweils nach kurzer Zeit frei.
Ebenfalls seit Mitte August sind der Al-Jazeera-Journalist
Abdallah Al-Shami und der Fotograf Mahmoud Abou Zied (Demotix,
Corbis) in Haft, schon einen Monat länger Mohamed Badr vom
Fernsehsender Al-Jazeera Mubasher. Immer wieder werden Journalisten
kurzzeitig festgenommen und in Gewahrsam misshandelt. Auch Anhänger
der Muslimbruderschaft haben bei Demonstrationen verschiedentlich
Journalisten angegriffen oder bedroht. (http://bit.ly/1hrEIXb)
Offenbar teils aus Erschrecken über die repressiven Tendenzen auch
unter Mursis einjähriger Regierung leisten nicht nur staatliche,
sondern auch viele private Medien dieser Entwicklung ihrerseits
Vorschub, indem sie die Rhetorik von Militär und Regierung
unhinterfragt übernehmen, Proteste der Opposition verschweigen und
Kritiker kaum noch zu Wort kommen lassen.
Dies illustrieren etwa die Turbulenzen um die populäre
Fernsehsendung El Bernameg des Satirikers Bassem Youssef. Nach einer
Folge vom 26. Oktober, in der er den kollektiven nationalistischen
Taumel zugunsten der Armee aufs Korn nahm, distanzierte sich sein
eigener Sender CBC von Youssef und nahm die Sendung unter Hinweis auf
angebliche Vertragsstreitigkeiten aus dem Programm.
(http://bit.ly/1imlXQ7)
In der ROG-Rangliste der Pressefreiheit steht Ägypten auf Platz
158 von 179 Ländern. Aktuelle Meldungen zur Lage der Journalisten und
Medien in Ägypten finden Sie unter http://en.rsf.org/egypt.html.
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Ulrike Gruska / Christoph Dreyer
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