(ots) - Reporter ohne Grenzen appelliert an die Europäische
Union, die mangelnde Pressefreiheit in der Ukraine auf dem Gipfel der
östlichen Partnerschaft in Vilnius (28./29.11.) zum Thema zu machen,
auch wenn der Abschluss eines Assoziierungsabkommens vorerst auf Eis
liegt. "Es reicht nicht aus, dass die EU bessere Handelsbeziehungen
und Justizreformen zur Bedingung für eine Annäherung macht. Ebenso
stark muss sie sich für kritische Journalisten einsetzen, deren
Arbeit in der Ukraine immer stärker behindert wird", sagte
ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin.
Nach dem Amtsantritt von Präsident Viktor Janukowitsch hat sich
die Position der Ukraine auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit
deutlich verschlechtert: von Platz 89 im Jahr 2009 auf Platz 126
(2013). Dies liegt neben immer häufigeren Angriffen auf Journalisten
vor allem daran, dass die einflussreichsten Medien des Landes
Politikern oder Geschäftsleuten gehören und kaum ausgewogen
berichten. So erwarb im Februar der Chef der Präsidialadministration,
Sergej Ljowotschkin, 20 Prozent der Aktien der Inter Media Group, zu
der mit Inter TV einer der reichweitenstärksten Sender des Landes
gehört. Inter TV hatte nach der umstrittenen Parlamentswahl im
Oktober 2012 zunehmend kritisch über die Regierung berichtet.
(http://bit.ly/Ya8C2e)
Vollkommen unklar sind die Besitzstrukturen inzwischen bei TVi,
dem populärsten kritischen Sender in der Ukraine. Im April 2013
wechselte dort überraschend das Management und verweigerte den
Journalisten vorrübergehend den Zugang zur Redaktion. Etliche
Mitarbeiter verließen den Sender daraufhin, andere traten in Streik
und forderten Aufklärung über die neuen Eigentümer
(http://bit.ly/Y1imAE). Der US-amerikanisch-ukrainische Geschäftsmann
Alexander Altman, der zunächst als neuer Mehrheitsaktionär
präsentiert wurde, erklärte später, gegen seinen Willen ins Gespräch
gebracht worden zu sein. (http://bit.ly/1fsMOLC). Besitzverhältnisse
in den Medien durch unklare Beteiligungen in- und ausländischer
Firmen zu verschleiern, ist ein in der Ukraine verbreitetes Muster.
Die Zahl gewaltsamer Angriffe auf ukrainische Journalisten hat
sich im vergangenen Jahr nahezu verdreifacht: 2011 zählte ROG 30
Fälle, 2012 waren es etwa 80. Aufsehen erregte der Angriff auf die
Fernsehreporterin Olga Snizartschuk(Pjaty Kanal) und den Fotografen
der Zeitung Kommersant-Ukraine, Wladislaw Sodel, am 18. Mai 2013. Die
beiden wurden auf einer Demonstration von Anhängern der Regierung von
Sicherheitspersonal geschlagen, ohne dass die Polizei eingriff.
Wenige Tage später protestierten ihre Kollegen bei einer
Regierungssitzung gegen die Untätigkeit der Behörden bei der
Verfolgung der Täter, die über soziale Netzwerke schnell
identifiziert wurden. Zehn Journalisten verloren daraufhin ihre
Akkreditierung (http://bit.ly/14Bwzpv). Durchschnittlich wird nur
einer von zwanzig Angriffen auf Journalisten in der Ukraine
aufgeklärt. So sind die Drahtzieher des Mordes an Georgi Gongadse im
September 2000 nach wie vor unklar.
Einschüchterungsversuche richten sich inzwischen auch gegen die
ROG-Vertreterin in der Ukraine, Oksana Romanjuk. Anfang Oktober
stellten Hacker ihre E-Mail-Korrespondenz sowie die Inhalte ihrer
privaten Festplatte ins Internet. ROG protestierte scharf gegen die
halbherzigen Aufklärungsversuche der Behörden
(http://bit.ly/1bebHaC). "Offenbar versucht die ukrainische Führung
vor der Präsidentenwahl im Frühjahr 2015, die Medien gefügig und
unliebsame Berichterstatter mundtot zu machen", kommentierte
ROG-Geschäftsführer Christian Mihr.
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer
presse(at)reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de
T: +49 (0)30 609 895 33-55
F: +49 (0)30 202 15 10-29