(ots) - SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach will Preissprünge
umfassend bekämpfen - Koalitionsvertrag geht nicht weit genug -
Spitzenverband fordert Gesetzesänderung nach Preissprung um Faktor 40
bei Sanofi/Genzyme-Wirkstoff
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach und die gesetzlichen
Krankenkassen wollen Pharmakonzernen Möglichkeit zur freien
Preisbildung nehmen, wenn altbekannte Wirkstoffe für neue
Krankheitsbilder eingesetzt werden. Andres als bei Neuzulassungen
gibt es bei Alt-Wirkstoffen mit neuen Anwendungsgebieten keine
Preisverhandlungen. Diese Regelung setze "vollkommen falsche Anreize
und lenkt die Forschung in das Recyceln von alten Produkten, die dann
teurer neu auf den Markt kommen", sagte Lauterbach dem ARD-Magazin
"Kontraste" (Do, 21.45 Uhr). Der Spitzenverband der gesetzlichen
Krankenversicherungen (GKV) forderte, die sogenannte Nutzenbewertung
künftig auf alte Wirkstoffe auszudrehen.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte 2010 bereits engere
Spielregeln für neue Medikamente eingeführt. Das Gesetz sieht unter
anderem Preisverhandlungen der Pharmakonzerne mit den Krankenkassen
vor. Diese Regelung lässt allerdings Wirkstoffe außen vor, die vor
2011 auf den Markt kamen. Der Koalitionsvertrag von Union und SPD für
eine künftige Große Koalition stellt zwar in Aussicht, das Gesetz
noch einmal zu verschärfen - doch auch dann sollen weiter Mittel
ausgenommen bleiben, die vor dem 1. Januar 2011 auf den Markt kamen.
Ausgelöst wurde die Diskussion durch die Sanofi-Tochter Genzyme.
Sie platzierte im Herbst dieses Jahres den bei Leukämie seit Jahren
eingesetzten Wirkstoff Alemtuzumab nach einer vorangegangenen
Marktrücknahme neu als Medikament gegen Multiple Sklerose. Mit der
Wiedereinführung stieg der Preis pro Milligramm um das 40-fache.
Zuvor war er jahrelang unter dem Produktnamen MabCampath für
Leukämie-Patienten zugelassen. Seit September wird der Wirkstoff nun
unter dem Produktnamen Lemtrada zur Behandlung von Multipler Sklerose
vertrieben. Ein Milligramm des Wirkstoffs kostet seitdem statt der
ursprünglichen 21 nun 887 Euro. "Wenn wir diese Lücke nicht
schließen, würden auch andere Unternehmen das für andere Wirkstoffe
machen. Das ist abzusehen", mahnte SPD-Politiker Lauterbach.
Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV)
kritisierte die Praxis von Sanofi, die Zulassung für Alemtuzumab für
die Behandlung von Leukämie zurückgenommen zu haben. "Da der
Unternehmer die aktuelle Entscheidung aus wirtschaftlichen Gründen
getroffen hat, kann man sie grundlegend verurteilen. Denn es waren
keineswegs Bedenken zur Wirksamkeit oder Sicherheit des
Arzneimittels, die diese Entscheidung begründeten", sagte eine
GKV-Sprecherin der ARD. "Der Unternehmer nimmt damit in Kauf, dass
die Versorgung von Krebskranken eingeschränkt wird und entzieht sich
seiner Verantwortung für eine adäquate Versorgung der betroffenen
Patientinnen und Patienten."
Auch die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
verurteilte den Preissprung. Ihr Vorsitzender Wolf-Dieter Ludwig
sagte: "Dieses Arzneimittel wird seit Mitte der Neunziger Jahre in
der Klinik erforscht. Die Entwicklungskosten für dieses Arzneimittel,
auch die Kosten für die klinischen Studien, rechtfertigen diesen
hohen Preis nicht. Ich glaube, es ist eindeutig das Profitstreben des
pharmazeutischen Unternehmens und die Lukrativität des Marktes."
Der ganze Bericht heute 21.45 Uhr im ERSTEN
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