(ots) - In der konventionellen Sauenhaltung in Deutschland werden
systematisch Hormone verabreicht, um die Wirtschaftlichkeit von
Betrieben zu erhöhen. Zu diesem Ergebnis kommt eine wissenschaftliche
Studie, die dem NDR Fernsehen exklusiv vorliegt und die im Auftrag
der Umweltschutzorganisation "Bund für Umwelt und Naturschutz
Deutschland" (BUND) erstellt wurde. Der BUND kritisiert den
Hormoneinsatz und warnt vor negativen Auswirkungen auf Tiere und
Umwelt. Das Umweltbundesamt in Dessau schließt auf Anfrage "negative
Folgen für die Umwelt" nicht aus.
Der Studie zufolge bekommen Sauen Hormone, damit Betriebe die
Abläufe im Stall von der Besamung bis zur Geburt der Ferkel besser
planen können. Mit Hilfe der Medikamente wird der Sexualzyklus der
Tiere so gesteuert, dass die Sauen nahezu gleichzeitig trächtig
werden und schließlich ihre Ferkel parallel zur Welt bringen. Auf
diese Weise können Betriebe Arbeitskräfte und somit Kosten sparen.
Ein weiteres Ziel sei es, die Leistung der Sauen zu verbessern. Durch
die Hormone sollten die Sauen mehr Eizellen entwickeln, die
befruchtet werden können, um somit mehr Ferkel zu gebären.
Der BUND fordert ein Verbot von Hormonen, die zu
nicht-medizinischen Zwecken eingesetzt werden. Es gehe nicht darum,
kranke Tiere zu behandeln, sondern nur darum, einen
"Industrialisierungsprozess in der Tierhaltung mit Hormonen zu
schmieren", sagte die Landwirtschaftsexpertin des BUND, Reinhild
Benning, gegenüber dem NDR Fernsehen. Die Gesundheit der Sauen würde
durch die hohe Ferkelzahl belastet.
Außerdem befürchtet der BUND, dass die verabreichten Hormone über
die Ausscheidungen der Tiere in die Umwelt gelangten und so Böden und
Gewässer belasteten. Auf Anfrage des NDR Fernsehen schließt das
Umweltbundesamt in Dessau negative Konsequenzen nicht aus und
erklärt: "Zu einem bekannten Steroidhormon, welches den in der
Tierhaltung eingesetzten Hormonen sehr ähnlich ist, gibt es
verschiedene Studien, die drastische Effekte in Fischen und Fröschen
belegen". Stoffe, die eine hormonelle Wirkung hätten, seien "explizit
als einer der Gründe für den dramatischen weltweiten Rückgang der
Amphibien" erwähnt, so das Umweltbundesamt.
Die stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Schweine der
Bundestierärztekammer, Inge Böhne, erklärte im NDR Fernsehen, dass
zumindest eines der eingesetzten Hormone zu einem Bruchteil in die
Umwelt gelange, und zwar der synthetische Stoff Altrenogest. Wenn das
Umweltbundesamt hier Probleme sehe, dann sei das Amt gefordert,
"schleunigst Maßnahmen" zu ergreifen, so Böhne. Das Wohl der Sauen
sieht die Tierärztin durch den Einsatz von Sexualhormonen nicht
beeinträchtigt.
In Deutschland sind 26 hormonhaltige Präparate für die Anwendung
in der Sauenhaltung zugelassen, schreibt das Bundesamt für
Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in Berlin auf
Nachfrage des NDR Fernsehens. Diese Arzneimittel müssen immer von
einem Tierarzt verordnet werden, doch der Einsatzgrund muss nicht
zwingend eine Erkrankung sein. Es sei richtig, dass Hormonpräparate
"hauptsächlich zur Brunstsynchronisation oder Geburtseinleitung"
eingesetzt würden, so die deutsche Zulassungsbehörde für
Tierarzneimittel. Ein Medikament werde nur zugelassen, wenn die
"Nutzen-Risiko-Abwägung" positiv ausfalle, erklärte die Behörde,
demzufolge werde der bestimmungsgemäße Einsatz der Präparate als
"unbedenklich" angesehen.
Im Rahmen der Zulassung von Tierarzneimitteln zur Brunst- oder
Geburtssynchronisation bei Sauen seien der Behörde auch "keine
negativen Folgen für die Umwelt bekannt geworden", so das BVL.
Allerdings sei die Mehrzahl dieser Tierarzneimittel zu einem
Zeitpunkt zugelassen worden, zu dem eine Umweltrisikobewertung nach
heutigem wissenschaftlichen Standard noch nicht erforderlich
beziehungsweise möglich gewesen sei. Die Behörde schreibt weiter, zur
Art und Anzahl der Betriebe, in denen die Präparate zum Einsatz
kämen, lägen dem BVL keine Angaben vor. Auch wie viele der Hormone
bundesweit in der Sauenhaltung eingesetzt würden ist dem BVL nicht
bekannt. Die Mengen würden jeweils bei den Bundesländern erfasst.
Die Studie "Zum Einsatz von Hormonen in der intensiven
Schweinehaltung" hat der Agrarwirt Bernhard Hörning, Professor an der
Fachhochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde, im Auftrag
des BUND erstellt. Hörning kommt zu dem Schluss, dass die Hormongabe
eine weitere "Intensivierung der konventionellen Sauenhaltung"
fördere. Die Umweltschutzorganisation wird die Studie am Dienstag, 7.
Januar, offiziell in Berlin vorstellen.
6. Januar 2013/IB
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