(ots) - Es kommt nicht oft vor, dass ein ehemaliger
Pentagon-Chef seinem alten Dienstherren in aller Öffentlichkeit
derart ans Bein pinkelt. In seinen Memoiren bezeichnet
Ex-US-Verteidigungsminister Robert Gates die Afghanistan-Politik von
Barack Obama als gescheitert. Der US-Präsident sei ein Zauderer, der
nicht einmal an seine eigene Militärstrategie geglaubt habe und nun
am Hindukusch sang- und klanglos den Schwanz einzieht. Die Ohrfeige
sitzt. Vielleicht ist es ja nur die Abrechnung eines frustrierten
Alt-Politikers nach dem Motto: Hättet ihr doch nur auf mich gehört!
Vielleicht hat Gates bei der Formulierung der harschen Vorwürfe auch
an die Verkaufszahlen für seine Autobiografie gedacht. Und sicherlich
ist die Kritik zu einem gewissen Teil unfair. Denn eines von Obamas
zentralen Wahlversprechen war es, die US-Truppen aus Afghanistan
abzuziehen. Und nun macht er seine Ankündigung eben wahr, wofür ihm
nicht nur in Amerika Beifall gewiss ist. Doch im Kern trifft die
Kritik des Ex-Ministers an der Planlosigkeit seines Präsidenten zu -
vor allem, wenn man sie in einen größeren Kontext stellt. Kabul,
Bagdad, Damaskus - die Brennpunkte im Mittleren und im Nahen Osten
geben Zeugnis von einem geradezu historisches Versagen der Supermacht
USA. Die Strategie, Afghanistan und dem Irak mit militärischen
Mitteln eine Demokratie überzustülpen, ist völlig misslungen.
Zwischen Euphrat und Tigris sterben Jahr für Jahr Tausende Menschen
bei Anschlägen. Gleichzeitig erstarkt dort Al-Kaida. Die
Terrororganisation nutzt das Land nicht mehr nur als Rückzugsraum,
sondern marschiert inzwischen in irakische Städte ein. Die Amerikaner
haben nach ihrem Abzug 2011 verbrannte Erde hinterlassen und eine
Regierung eingesetzt, unter der das von religiösen Konflikten
erschütterte Land auseinanderbricht. Terror und Anarchie im Irak
münden immer mehr in einen blutigen Bürgerkrieg. Im Nachbarland
Syrien wiederum geht das Gemetzel weiter, weil Obama zögerte und
zauderte. Erst drohte er dem Regime mit Luftschlägen, dann machte er
einen Rückzieher. Nicht nur die USA, der gesamte Westen ließ sich
einlullen von der Ankündigung des Diktators Baschar Al-Assad, das
Giftgas zu vernichten. Nun sehen die Staats- und Regierungschefs der
Nato-Länder geflissentlich weg, wenn die syrische Armee Napalm und
Nagelbomben auf Zivilisten wirft. Und wie sich gleichzeitig
Terrorgruppen einen immer erbitterteren Krieg liefern. Ein halbes
Jahr ist es her, dass die UN die Zahl der Toten in Syrien auf 100 000
beziffert haben. Danach hat die Weltgemeinschaft mit dem Zählen
aufgehört. Angesichts der gefährlichen Eskalation in Syrien und im
Irak, die die gesamte Region in Brand setzen könnte, ergeben sich
Zweifel, ob Obama überhaupt eine Nahost-Strategie verfolgt. Und mit
Blick auf Afghanistan stellt sich die Frage, wie sich der
US-Präsident die Zukunft dieser Region vorstellt. In diesem Jahr
sollen die letzten amerikanischen Kampftruppen abziehen.
Schlimmstenfalls droht dann ein zweiter Irak - in unmittelbarer
Nachbarschaft zur Atommacht Pakistan. Das wäre die völlige
Bankrotterklärung für Obamas Außenpolitik. Ex-Pentagonchef Gates
spart bei seinen Vorwürfen auch Obamas Vorgänger George W. Bush nicht
aus, der nach den Anschlägen vom 11. September 2001 den
Afghanistan-Einmarsch befohlen hatte. Mit Blick auf den von Bush
erhofften Wandel in dem Land meint Gates, seine Ziele seien "auf
peinliche Weise ehrgeizig und historisch naiv" gewesen. Diese
Feststellung trifft absolut zu. Wer in den Krieg zieht, sollte
wissen, wie er anschließend Frieden schaffen will. Die Amerikaner
sind gleich in zwei Kriege gezogen - und hinterlassen ein Desaster.
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