(ots) - Ein "No Spy"-Abkommen wird es nicht geben. Die
USA wollen es nicht - und Berlin duckt sich weg.
Wer ernsthaft daran geglaubt hat, dass es jemals ein
Anti-Spionage-Abkommen zwischen den USA und Deutschland geben wird,
war schon ziemlich optimistisch. Wer dachte, dass ein solcher Vertrag
auch dazu führen wird, dass die NSA und all die anderen
US-Geheimdienste sich im Ausland künftig an Recht und Gesetz halten,
darf sich nicht wundern, wenn er naiv genannt wird. Die Aufgabe der
Geheimdienste besteht darin, zu spionieren. Dass es dafür Regeln
geben muss, ist klar. Dass diese Regeln aber im Falle des Falles
gebrochen werden, ebenso. Weil Informationsvorsprung Macht bedeutet.
Die Menschen in Deutschland haben damit berechtigterweise ein
Problem. Nur ist es typisch deutsch anzunehmen, dass alle anderen
dieselben Vorbehalte haben. Das gilt ganz besonders für eine Nation,
die nicht die historische Erfahrung von Gestapo und Stasi teilt, von
Totalitarismus und staatlicher Willkür. Dafür aber haben die
US-Amerikaner erlebt, wie die informationelle Blindheit selbst bei
einer Supermacht dazu führen kann, dass binnen weniger Stunden
tausende von Menschen Opfer langfristig geplanter Terroranschläge im
eigenen Land wurden. Seine Geschichte hat Deutschland gelehrt,
skeptisch zu sein, was die Macht des Staates angeht. Die Geschichte
der USA hat die Menschen dort gelehrt, dass alles akzeptabel
erscheint, was ihnen hilft, sich sicher zu fühlen. Das erklärt
vieles, rechtfertigt aber nichts, zumindest im Umgang mit Partnern.
Deutschland und die Vereinigten Staaten seien Freunde, heißt es immer
wieder, wenn es wichtig wird. Aber Freundschaften gibt es nicht
zwischen Staaten. Höchstens freundschaftliche Beziehungen. Die
existieren zwischen Berlin und Washington in jedem Fall. Beide Seiten
brauchen einander. Wobei es einen entscheidenden Unterschied gibt:
Deutschland braucht Amerika immer. Die USA entscheiden immer im
Einzelfall, wann und wozu sie die Deutschen brauchen. Das ist wenig
freundschaftlich, dafür aber effizient. Vor allem, weil man sich im
Weißen Haus sicher sein kann, dass der Protest hauptsächlich verbaler
Natur ist. Zumindest, so lange in Berlin eine Pragmatikerin wie
Angela Merkel regiert. Ein Telefonat mit dem Präsidenten, ein paar
lachhafte Statements der Herren Ronald Pofalla und Hans-Peter
Friedrich, ein Delegationsbesuch, Kontakte auf höchster Ebene: Das
klingt nach Diplomatie, und das ist es auch. Aber die funktioniert
vor allem dann, wenn es Druckmittel auf beiden Seiten gibt. Und
welche hätte die Bundesregierung, deren Einsatz nicht dem eigenen
Land schadet? Eben. Wenn die Bundeskanzlerin nun Barack Obama in
Washington trifft, dann wird dort sicher auch darüber geredet werden,
dass ein Scheitern des "No Spy"-Abkommens bedauerlich sei. Aber mehr
wird nicht geschehen. Als es noch die Möglichkeit gab, Edward Snowden
Asyl in Deutschland anzubieten und damit den Ton in der
transatlantischen Debatte zu verschärfen, schob Berlin rechtliche
Gründe vor. Heute stehen pragmatische Hindernisse gegen eine
Eskalation: Deutschland hat großes Interesse am Zustandekommen des
Freihandelsabkommens mit den USA. Die alte wie die neue
Bundesregierung will keinen Streit. Im Wahlkampf tauchte die
NSA-Affäre nur am Rande auf. Sie wurde geschickt überlagert durch
Scheindebatten wie der über die Pkw-Maut. Die Bedeutung der
transatlantischen Beziehungen ist offensichtlich zu wichtig. Dabei
sind genau die in Gefahr. Die heutige Generation in Deutschland
assoziiert mit Amerika nicht nur Positives. Sondern auch Vietnam,
Irak, Afghanistan, Guantánamo. Und eben auch die NSA.
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