(ots) - Im Fall der in Hamburg verstorbenen drei Jahre
alten Yagmur erhebt der Hamburger Fachanwalt für Pflegekinderrecht,
Peter Hoffmann, schwere Vorwürfe gegen das Jugendamt
Hamburg-Eimsbüttel. Gegenüber dem NDR Politikmagazin "Panorama 3"
sagte Hoffmann, es sei "mehr als grob fahrlässig", dass die
Strafanzeige und ein Gutachten des Hamburger Gerichtsmediziners Klaus
Püschel nicht ausreichend beachtet wurden.
"Wir haben keine besseren Erkenntnisquellen als die
Gerichtsmedizin Hamburg", so Hoffmann. Das Jugendamt habe in Kenntnis
der Strafanzeige und des Gutachtens das Kind geradezu vorsätzlich der
Gefahr ausgesetzt. "Wenn eine Strafanzeige von Professor Püschel
nicht mehr beachtet wird, dann können wir den Kinderschutz
vergessen." Die Hamburger Bezirksjugendämter Eimsbüttel und Mitte
wollten sich gegenüber "Panorama 3" nicht äußern - mit Hinweis auf
den noch ausstehenden Bericht der unabhängigen Jugendhilfeinspektion.
Auch an der Staatsanwaltschaft Hamburg übt Hoffmann Kritik. Die
Staatsanwaltschaft hatte erklärt, sie habe Yagmurs Mutter nicht zur
Vernehmung geladen, weil diese bereits zu einer Vernehmung durch die
Polizei nicht erschienen sei. Anwalt Peter Hoffmann: "Das enthebt
doch nicht der Verpflichtung weiterer Ermittlungen. Es besteht der
dringende Verdacht der Kindesmisshandlung. Und wenn dieser Verdacht
besteht, dann muss geklärt werden, wer diese Tat begangen hat. So
verstehe ich die Aufgabe der Staatsanwaltschaft." Er habe den
Eindruck, dass hier nicht mit der "gesetzlich vorgesehenen
Konsequenz" gearbeitet worden sei.
Dass das Amtsgericht Hamburg-St. Georg eine Rückführung des Kindes
zu seinen Eltern nicht verhinderte, kritisiert Hoffmann ebenfalls.
"Das Amtsgericht kann nicht einfach eine Stellungnahme des
Jugendamtes zugrunde legen und dann die Akte zumachen. Der
Amtsermittlungsgrundsatz des Amtsgerichts in Kindschaftssachen
beinhaltet, dass die Frage geklärt wird, wie das Kindeswohl zu
sichern ist. Und bevor das geklärt wird das Kind zurückzuführen,
halte ich schlicht für eine Katastrophe." Vom Amtsgericht St. Georg
wollte sich niemand gegenüber "Panorama 3" vor der Kamera äußern.
Durch Yagmurs Tod waren auch abermals die Zustände in Hamburger
Jugendämtern hinterfragt worden. Ein vor wenigen Jahren eingeführtes
Computersystem sollte die Arbeit in den Ämtern erleichtern. Gegenüber
"Panorama 3" berichtet die Mitarbeiterin eines Hamburger Jugendamtes,
dass das Computersystem ihre Arbeit eher erschwert habe: "Es ist auch
für Kollegen, die sehr computeraffin sind, schwierig, weil es ein
sehr komplexes Programm ist." Mit dem Programm sollte die Ãœbergabe
eines Falles bei einem Wechsel der Zuständigkeit beschleunigt werden.
"Das ist aber bisher nicht so. Es dauert oft Wochen und manchmal auch
Monate, bis der Fall wirklich übernommen wird. Das heißt, die
Papierakte wird losgeschickt, und wenn die dann in Ordnung ist und
der andere Bezirk auch anerkennt, dass er zuständig ist, übernehmen
sie zum nächsten Ersten - da ist eine Lücke."
Die personelle Ausstattung in den Ämtern sei noch immer zu gering.
"Es sind tatsächlich neue Stellen geschaffen worden, aber die
Fallzahlen gehen halt auch hoch. Da verpufft das dann." Die
Arbeitsüberlastung führte dazu, dass die Mitarbeiterin selbst schon
einmal einen Fall vergessen hat. "Der Fall ist mir völlig
weggerutscht für ein paar Wochen. Ich hätte eigentlich dringend etwas
erledigen müssen. Ich hatte aber gar nicht daran gedacht, weil ich so
mit anderen Sachen beschäftigt war."
Die dreijährige Yagmur war Mitte Dezember 2013 tot in der Wohnung
ihrer Eltern in Hamburg-Billstedt aufgefunden worden. Die Eltern
stehen unter dem Verdacht, ihre Tochter schwer misshandelt zu haben.
Weitere Informationen zum Thema in "Panorama 3", Dienstag, 21.
Januar, um 21.15 Uhr im NDR Fernsehen sowie unter NDR.de/panorama3.
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