(ots) - Die Syrien-Gespräche in der Schweiz stecken
kurz nach Beginn bereits so weit in der Sackgasse, dass sich
Skeptiker rundherum bestätigt fühlen. Die anwesenden
Bürgerkriegsparteien bezogen diametral entgegengesetzte Positionen,
die nur schwer erkennen lassen, auf welchen Feldern Annäherungen
möglich wären. Der "Syrische National Kongress" (SNC) besteht mit
Leidenschaft darauf, eine Lösung des Konflikts setzte den Abtritt des
syrischen Diktators Baschar al-Assad voraus. Die Rebellen-Vertreter
verliehen dieser Forderung emotionalen Nachdruck, indem sie das
Regime mit den aus dem Land geschmuggelten Bildern von 11 000
Gewaltopfern konfrontierten. Der syrische Außenminister Muallim weist
die Rücktrittsforderung nicht minder aufgebracht zurück. Allein das
Volk habe das Recht, über die Zukunft Assads zu entscheiden. Dessen
Regierung führe Krieg gegen den Terrorismus, der von ausländischen
Mächten geschürt werde. Die Rebellen sind in den Augen des Regimes
nicht mehr als Verräter, die mit Terroristen gemeinsame Sache
machten. Die ursprünglich geplanten ersten Direktgespräche am Freitag
in Genf scheiterten an der Unversöhnlichkeit der verfeindeten Seiten.
Stattdessen sprachen die Unterhändler getrennt mit dem
UN-Syrien-Beauftragten Lakhdar Brahimi über den dreijährigen
Konflikt, bei dem bisher mehr als 130 000 Menschen ums Leben kamen
und Millionen ihre Heimat verloren. Die verfahrene Situation in
Syrien offenbart das Vakuum, das der Rückzug der USA als
Ordnungsmacht im Nahen Osten hinterlässt. Nach einem Jahrzehnt
kostspieliger Konflikte in Afghanistan und Irak haben die Amerikaner
keinen Appetit auf weitere Interventionen - auch nicht aus
humanitären Gründen. US-Präsident Obama erklärte seine Zurückhaltung
kürzlich im New Yorker mit nüchterner Realpolitik. Es sei "sehr
schwierig, sich ein Szenario vorzustellen, bei dem unser Engagement
in Syrien zu einem besseren Ergebnis geführt hätte". Anstelle einer
"Pax Americana" ringen nun regionale Mächte um Einfluss in dem
Bürgerkriegsland, das zum Schauplatz mehrerer
Stellvertreter-Konflikte geworden ist. Die Saudis und ihre
Verbündeten am Golf wollen die Hegemonialansprüche Irans abwehren,
während der Gottesstaat in dem syrischen Diktator Bashir al-Assad
einen Schutzpatron der Schiiten sieht. Al-Kaida-nahe Gruppen kämpfen
ihrerseits für einen fundamentalistischen Staat, der die
Sunniten-Hochburgen in Irak und Syrien vereinte. Und Russland möchte
aus geostrategischen Erwägungen seinen letzten Anker in der Region
nicht verlieren. In diesem Knäuel aus Interessen lässt sich nicht
immer trennscharf ausmachen, wer die Guten und wer die Bösen sind.
Mit Sicherheit lässt sich aber sagen, wer die Leidtragenden sind: Die
syrische Zivilbevölkerung, die von allen Seiten terrorisiert wird.
Auf deren Schutz sollten sich die Unterhändler in Genf als kleinsten
gemeinsamen Nenner verständigen können. Das brächte mehr als die
fruchtlosen Schuldzuweisungen zwischen Parteien, die nicht bereit
sind, in einem Bürgerkrieg Frieden zu schließen, der sich von Außen
nicht beenden lässt. Die USA und Russland sollten ihren Einfluss auf
den SNC und Damaskus nutzen, kurzfristig "humanitäre Korridore"
durchzusetzen. Als Vorbild bietet sich die Kooperation bei der
Beseitigung der Chemiewaffen des syrischen Regimes an. Wie damals
könnte Präsident Obama auch diesmal mit der flankierenden Androhung
gezielter Luftschläge für den notwendigen Nachdruck sorgen. Das
brächte nicht das Ende des Bürgerkriegs, wäre aber ein realistischer
Schritt, das Leiden der Zivilisten zu verringern. Mindestens so viel
sollte möglich sein.
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