(ots) - Die Kammer für Öffentliche Verantwortung der
Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat eine Stellungnahme zur
Friedensethik veröffentlicht. Der Text trägt den Titel ",Selig sind
die Friedfertigen' - Der Einsatz in Afghanistan: Aufgaben
evangelischer Friedensethik."
Bei der Vorstellung des Textes am heutigen Montag in Berlin sagte
der Vorsitzende des Rates der EKD, Nikolaus Schneider: "Der Ruf zum
Frieden und der Einsatz für den Frieden gehören zum Kern des
kirchlichen Auftrags." In dem neuen Text, so der Ratsvorsitzende,
gehe es um eine "kritische und konstruktive Reflexion des
Afghanistan-Einsatzes" und darüber hinaus um eine "friedensethische
und friedenspolitische Aufgabenbeschreibung und Orientierung für die
Zukunft."
Diese Überlegungen seien sehr nötig, denn, so Schneider weiter:
"Der Einsatz deutscher Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan hat
uns neu deutlich gemacht, welche gesellschaftlichen und menschlichen
Folgelasten mit militärischen Einsätzen verbunden sind: Tod und
Verwundung, traumatisierte Soldatinnen und Soldaten und langfristige
Prozesse der Vernarbung in den Biographien der Einzelnen, der
Familien und der Gemeinschaften."
Der Ratsvorsitzende erinnerte an die besonderen Gedenktage des
Beginns beider Weltkriege im Jahre 2014: "Vor 100 Jahren begann der
Erste Weltkrieg, vor 75 Jahren der Zweite Weltkrieg. Unsere Welt ist
seitdem nicht friedlicher geworden, wenn wir an den Bürgerkrieg in
Syrien oder an die aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen in
Afrika denken. Wir sind davon überzeugt: Die friedensstiftende Kraft
des Evangeliums von Jesus Christus wird auch heute für eine
nachhaltige Friedenspolitik dringend gebraucht."
Schneider dankte der Kammer für Öffentliche Verantwortung für die
Ausarbeitung der Stellungnahme. Das Ergebnis nähre "grundsätzlichen
Zweifel", dass mit militärischer Gewalt der Weg zu einem ,Gerechten
Frieden' gebahnt werden könne.
Auch der Vorsitzende der Kammer für Öffentliche Verantwortung,
Hans-Jürgen Papier, gab seiner Überzeugung Ausdruck, dass der Einsatz
in Afghanistan "gravierende Defizite" zeige. Die "Förderung von
Sicherheit, Entwicklung und Rechtsstaatlichkeit" sei trotz großer und
anerkennenswerter Anstrengungen" nur unzureichend gelungen. "Ein
friedens- und sicherheitspolitisches Gesamtkonzept unter dem Primat
des Zivilen hat weitgehend gefehlt. Die enge Verknüpfung des
ISAF-Mandates mit der von den US-Amerikanern als Teil des ,War on
Terror' geführten ,Operation Enduring Freedom (OEF)' hat die
Glaubwürdigkeit der Friedens- und Unterstützungsmission ISAF
erheblich beeinträchtigt", so Papier.
Zudem, so der Kammervorsitzende weiter, habe es an
"Exit-Strategien" gefehlt, die schon vom Beginn eines Einsatzes an
hätten entwickelt werden müssen. "Deutschland muss in besonderer
Weise für die weitere Entwicklung in Afghanistan Verantwortung
übernehmen, besonders auch im Hinblick auf nach dem Abzug gefährdete
afghanische Partner der Bundeswehr", sagte Papier, und: "Der Auf- und
Ausbau rechtsstaatlicher Strukturen braucht verstärktes Augenmerk und
Anknüpfung an lokale Rechtstraditionen und Institutionen." Außerdem
forderte der Kammervorsitzende eine breite gesellschaftliche Debatte
über die Entwicklung und den Einsatz der "Drohnen"-Technologie,
insbesondere im Hinblick auf die Praxis der "gezielten Tötungen".
Schließlich, so Papier abschließend: "Militäreinsätze müssen von
Beginn an durch Evaluation begleitet sein. Gegen die Eigendynamik und
Zwangsläufigkeit militärischer Gewalt müssen Einsätze Gegenstand
politischer Lernprozesse und Fehleranalyse sein."
Hintergrundinformation:
Auftrag des Rates der EKD an die Kammer für Öffentliche
Verantwortung war es, das in der Friedensdenkschrift der EKD von 2007
formulierte Leitbild des "Gerechten Friedens" zu den Erfahrungen des
Einsatzes in Afghanistan in Beziehung zu setzen. Theologen, Militärs,
Juristen und Sozialwissenschaftler haben im Kreis der Kammer über
zwei Jahre hinweg an dieser Frage gearbeitet.
Die EKD-Denkschrift von 2007 ("Aus Gottes Frieden leben - für
gerechten Frieden sorgen") hatte das Leitbild des "Gerechten
Friedens" in folgenden Maximen entwickelt: Recht stiftet Frieden; wer
den Frieden will, muss den Frieden vorbereiten; der "Gerechte Friede"
ist ausgerichtet am vorrangigen Paradigma der Gewaltlosigkeit; Friede
ist ausgerichtet an menschlicher Sicherheit und menschlicher
Entwicklung; militärische Gewalt hat als "rechtserhaltende Gewalt"
ihren ausschließlichen Ort als "ultima ratio", legitimiert durch ein
Mandat der internationalen Gemeinschaft oder im Fall
Selbstverteidigung.
Wird der Einsatz in Afghanistan an diesem Leitbild gemessen, so
ein Ergebnis des Textes der Kammer, erkenne man große und
anerkennenswerte Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft, aber
auch gravierende Defizite. Es habe an einem politischen und
strategischen Rahmenkonzept gefehlt. Wesentliche Zielvorgaben des
Gerechten Friedens, wie die Förderung von Sicherheit, Entwicklung und
Rechtsstaatlichkeit würden der Logik der militärischen Mittel
untergeordnet. . ",Selig sind die Friedfertigen' - Der Einsatz in
Afghanistan: Aufgaben evangelischer Friedensethik." erscheint als
"EKD-Texte 116". Der Text hat 60 Seiten und kann zum Stückpreis von
0,90 EUR über das Kirchenamt der EKD bezogen werden - Herrenhäuser
Str. 12, 30419 Hannover -, Fax (0511) 2796-457 oder E-Mail:
versand(at)ekd.de und steht im Internet zum Download bereit:
http://www.ekd.de/EKD-Texte/afghanistan_ekdtext_116.html
Hannover/Berlin, 27. Januar 2013
Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick
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