(ots) - Wenn Bundespräsident Joachim Gauck heute die
50. Sicherheitskonferenz in München eröffnet, ist das bemerkenswert.
Erstens, weil Gauck sich unter die Stimmen derer mischt, die ein
stärkeres internationales Engagement Deutschlands einfordern.
Zweitens, weil sowohl der runde Geburtstag der einstigen
Wehrkundetagung als auch die Ãœberlegungen zu Deutschlands Rolle in
der Welt in das Jahr fallen, in dem wir des Ausbruchs des Ersten
Weltkriegs vor 100 Jahren gedenken. Aber es ist richtig und wichtig,
gerade jetzt darüber nachzudenken, welche Rolle die Bundesrepublik
spielen sollte. Denn es muss eine andere sein als in der
Vergangenheit. Die Krisen der Welt sind näher an die Europäische
Union herangerückt und damit an Deutschland. Das war schon einmal so,
als das ehemalige Jugoslawien implodierte und in der Folge Ethnien,
Religionsgruppen und Nationen übereinander herfielen. Heute sind es
mehrere Krisen, die gelöst werden müssen. Vor der Haustüre Europas
liegt Afrika mit seinen Problemen, und die Menschen dort suchen ihr
Heil immer mehr in der Flucht. Die EU wird nicht umhin kommen, sich
über ihre Asylpolitik Gedanken zu machen, aber damit ist es nicht
getan. Es geht darum, in den Ländern dafür zu sorgen, dass es weniger
Grund zur Flucht gibt. Dazu braucht es eine andere
Entwicklungspolitik. Aber es braucht auch Mut, militärisch Hilfe zu
leisten, wenn es die Situation erfordert. Deutschland hat sich in
Afrika bisher meist zurückgehalten und Frankreich in Mali oder der
Zentralafrikanischen Republik den Vortritt gelassen. Auf Dauer wird
diese Taktik aber nicht aufgehen. Sowohl Verteidigungsministerin
Ursula von der Leyen als auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier
haben das erkannt. Das ist richtig so. Auch wenn der Blick auf die
Debatten der 1990er über eine deutsche Beteiligung auf dem Balkan
zeigt, was da auf uns zukommt. Die Außenpolitik der Regierung Merkel
bestand bislang vor allem darin, so zu tun, als gebe es sie nicht.
Ja, die Bundeswehr ist im Auslandseinsatz, in Afghanistan, im Kosovo,
sie hat Piraten vor der somalischen Küste gejagt. Aber deutsche
Außenpolitik war vor allem Gipfeldiplomatie. Es gab und gibt gute
Gründe, warum der Einsatz deutscher Soldaten im Ausland immer gut
begründet und überlegt werden muss. Es hat nicht erst ein Gedenkjahr
wie das laufende benötigt, um zu wissen, warum. Deutschland hat eine
historische Verantwortung, der es gerecht werden muss. Aber es darf
sich auch nicht hinter ihr verstecken. Die USA ziehen sich
international zurück. Washington kann und will sich keine teuren
Militäreinsätze mehr leisten. Zu hoch ist der Preis: Die Schulden
halten das Land im Würgegriff. Mit jedem toten Soldaten sinkt die
Kriegsbereitschaft der Bürger. Und jeder Krieg bringt weniger statt
mehr Sicherheit, weil jeder Einsatz das Risiko terroristischer
Vergeltung steigert. Aber nach dem Ende des Kalten Krieges ist die
Zahl der internationalen Konflikte eher gewachsen, denn gesunken. Es
braucht weiter schlagfertige internationale Bündnisse. Und in ihnen
kann Deutschland nicht weiter so tun, als würden seine Soldaten nur
Brunnen und Schulen bauen, wenn das Gröbste vorbei ist. Das war
bereits in Afghanistan ein fataler Irrglauben. Die
Sicherheitskonferenz hat in diesem Jahr sehr drängende Themen auf
ihrer Agenda: In der Ukraine droht ein Bürgerkrieg; mit dem Iran
könnte erstmals ein Neuanfang gewagt werden; und in Syrien verhandeln
erstmals alle Seiten über einen Frieden. Sie bietet die Chance,
darüber zu reden, welchen Part Deutschland in einer Welt spielen
muss, die so ganz anders ist, als die vor 100 Jahren, die aber
durchaus Parallelen aufweist. Damals wie heute war sie
dezentralisiert. Damals wie heute sind die Großmächte in vermeintlich
regionalen Konflikten involviert. Siehe Syrien; siehe die Ukraine.
Damals wie heute zeigt sich, dass die Bindekraft politischer und
wirtschaftlicher Beziehungen zwischen Staaten schnell endet, wenn es
um Macht und Einfluss geht. Man mag den Kopf über die
Bundeswehrreform schütteln oder die Pläne von der Leyens belächeln.
Aber sie sind wichtig, weil Deutschland vor einer langen und
vielleicht auch schmerzhaften Debatte steht. Nicht nur über die Art
und den Aufbau seiner Armee.
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