(ots) - Das F-Wort ist in den USA ein absolutes Tabu.
Es ist sogar so unfein, dass sich die New York Times in ihrer
Berichterstattung über die Affäre an blumigen Umschreibungen entlang
hangelt. Nun hat es ausgerechnet eine US-Diplomatin in den Mund
genommen und die EU damit beleidigt. Die Empörung in Berlin und
Brüssel über die schrecklich netten Freunde überm Atlantik erscheint
also verständlich. Dabei hätte man zu normalen Zeiten über die rüde
Äußerung getrost hinwegsehen können. Freundschaften halten so etwas
aus. Doch in den letzten Monaten ist viel Porzellan zu Bruch
gegangen. Ausbaden muss dies nun die Ukraine. Es ist die wichtigste
Regel für Diplomaten: Beim Lästern sollte man sich nicht erwischen
lassen. Nun ist es ausgerechnet der Europabeauftragten Washingtons
passiert, dass ihr "Scheiß auf die EU" von der ganzen Welt mitgehört
worden ist. Es sind weniger die Worte, die schockieren. Vielmehr
offenbart die Äußerung mit schonungsloser Offenheit, was Washington
in außenpolitischen Dingen von Brüssel hält: gar nichts. Zwar ist es
kein Geheimnis, dass die USA die EU für zu zögerlich hält, wenn es um
Militäreinsätze geht. Auch die Tatsache, dass sich die
Mitgliedsstaaten häufig schwer tun mit einer gemeinsamen Linie, soll
manchem US-Diplomaten schon übel aufgestoßen sein. Trotzdem hütete
man sich davor, dies dem Freund und Partner an den Kopf zu werfen.
Durch das durchgestochene Telefongespräch ist diese selbst auferlegte
Zurückhaltung obsolet geworden, die Schwäche der EU ist für alle Welt
sichtbar. Dass dies in erster Linie Moskau nützt, erscheint logisch.
Seit Monaten versucht Wladimir Putin, die Ukraine in seinen
Einflussbereich zu ziehen. Insofern dürfte die Vermutung der
US-Behörden, dass der russische Geheimdienst hinter der
Veröffentlichung der Gespräche steckt, stimmen. Schließlich steht
Moskau der Janukowitsch-Regierung in Kiew nahe und hat damit ein
Interesse daran, die EU zu diskreditieren und Brüssel und Washington
auseinanderzudividieren. Allerdings lässt sich dieser Vorwurf derzeit
nicht belegen. Ob es nun der russische oder der ukrainische
Geheimdienst war, der die Äußerungen abgehört und veröffentlicht hat
- letztendlich ist die Beantwortung diese Frage fürs
europäisch-amerikanische Verhältnis irrelevant. Denn der Riss ist
durch die jüngsten Ereignisse wieder ein bisschen tiefer geworden.
Seit die Lausch-Affäre um den US-Geheimdienst NSA immer weitere
Kreise zieht, scheinen Brüssel und Washington auf keinen grünen Zweig
mehr zu kommen. Das können auch die Verhandlungen zum
Freihandelsabkommen zwischen beiden Blöcken nicht kaschieren - zumal
sie derzeit auch noch vorübergehend ausgesetzt sind. Insofern stehen
die beleidigenden Äußerungen Nulands symptomatisch für das schwierig
gewordene transatlantische Verhältnis. Das sind vor allem für die
Ukraine schlechte Nachrichten. Wenn Brüssel und Washington in Kiew
nicht kooperieren, sondern einander misstrauen, reibt sich am Ende
Wladimir Putin die Hände. Bereits jetzt haben die mitgeschnittenen
Gespräche die Oppositionsbewegung in Kiew beschädigt. Auch Vitali
Klitschko ist diskreditiert. Die Amerikaner machen in ihrem Gespräch
deutlich, dass sie ihn nicht in politischer Verantwortung sehen
wollen. Gleichzeitig liebäugeln sie damit, die Janukowitsch-Regierung
mit Sanktionen zu belegen. Man kann den Kurs der EU in der Ukraine
zögerlich und vorsichtig schelten. Und dennoch ist das Vorgehen
richtig. Die Ukraine ist ein zutiefst gespaltenes Land, da ist
Fingerspitzengefühl gefragt. Die Holzhammer-Methode, wie Washington
sie propagiert, kann nicht zielführend sein.
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