(ots) -
Sperrfrist: 18.02.2014 15:00
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Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und die afrikanischen
Staaten müssen die Gewalt gegen Zivilisten in der
Zentralafrikanischen Republik stoppen und die humanitäre Hilfe
ausweiten. Das forderte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen am
Dienstag bei einer Pressekonferenz in Genf. Die internationalen
Bemühungen zum Schutz der Bevölkerung hätten völlig versagt. Das
zeigten das Ausmaß der Gewalt und das gezielte Töten von Angehörigen
ethnischer und religiöser Minderheiten.
"Die menschliche Tragödie, die wir aktuell erleben, ist in der
Geschichte der Zentralafrikanischen Republik beispiellos", erklärte
die Internationale Präsidentin von Ärzte ohne Grenzen, Dr. Joanne
Liu. "Es muss sofort etwas passieren, nicht erst in einem Monat oder
in einem halben Jahr. Wir werden täglich Zeugen von Gräueltaten. Dies
ist eine gewaltige Katastrophe, die sich vor den Augen der politisch
Verantwortlichen abspielt. Nichts zu tun, wäre eine bewusste
Entscheidung dafür, die Menschen der Zentralafrikanischen Republik im
Stich zu lassen."
Joanne Liu ist erst kürzlich aus der Zentralafrikanischen Republik
zurückgekehrt. "Der Schutz der Bevölkerung ist unser wichtigstes
Anliegen. Wir sind hilflos gegenüber der extremen Gewalt. Wir
behandeln Tausende Verletzte und sehen, wie Hunderttausende Menschen
fliehen, um nicht niedergemetzelt zu werden", sagte Liu. "Es ist
schockierend, wie wenig Engagement die Verantwortlichen des
UN-Sicherheitsrats zeigen. Auch die afrikanischen Staaten und die
Afrikanische Union tun nicht genug, um die Gewalt zu stoppen."
Ärzte ohne Grenzen fordert, dass sich die Menschen in der
Zentralafrikanischen Republik ohne Todesangst bewegen können. Die
humanitäre Hilfe muss massiv verstärkt werden, um die
Grundbedürfnisse der Menschen befriedigen zu können. Auch lokale und
nationale Autoritäten müssen ihr Möglichstes tun, um die Gewalt
einzudämmen und den Schutz der Bevölkerung zu verbessern.
Sowohl die muslimische als auch die christliche Zivilbevölkerung
ist Opfer der Gräueltaten, die von bewaffneten Gruppen verübt werden.
Seit dem 5. Dezember 2013 hat Ärzte ohne Grenzen mehr als 3.600
Verletzte in der Hauptstadt Bangui und im ganzen Land behandelt.
"Einmal fanden wir in einem Innenhof in der Stadt Bozoum 17
Menschen mit Schusswunden und Verletzungen durch Macheten und eine
Granate", erzählte Liu. "Sie waren zu verängstigt, um ein Krankenhaus
aufzusuchen. Sie hatten Angst, unterwegs erneut angegriffen zu
werden. Die Verletzungen waren schwer, und doch saßen die Menschen
einfach da und bluteten."
Ärzte ohne Grenzen erlebt immer wieder, dass bewaffnete Gruppen in
Krankenhäuser eindringen. Mehrfach mussten Dorfvorsteher, geistliche
Oberhäupter oder das medizinische Personal einschreiten, um Patienten
zu schützen. Es kommt vor, dass Kranke wegen der unsicheren Lage
nicht in Kliniken transportiert werden können.
Auch außerhalb medizinischer Einrichtungen sind Zivilisten
bedroht. An acht verschiedenen Orten, an denen Ärzte ohne Grenzen
tätig ist, sind etwa 15.000 Zivilisten auf der Suche nach Schutz in
Krankenhäusern, Kirchen oder Moscheen eingeschlossen. In vielen
dieser Enklaven - auch in Bangui - hat Ärzte ohne Grenzen
Gesundheitsposten eingerichtet. Die Eingeschlossenen gehen aus Angst
selbst dann nicht ins Krankenhaus, wenn es nur wenige hundert Meter
entfernt liegt.
Angesichts dieser Bedrohung sind in den vergangenen zwei Wochen
Zehntausende Muslime geflohen. Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen
haben in den Städten Bangui, Baoro, Berberati, Bocaranga, Bossangoa,
Bouca, Bozoum und Carnot beobachtet, wie Muslime auf eigene Faust
flohen oder auf Lastwagen, eskortiert von internationalen Truppen, in
die Nachbarländer gebracht wurden. Den Truppen war es nicht gelungen,
diese Menschen zu beschützen. Einige Muslime wurden aus dem
Nordwesten des Landes nach Bangui gebracht, wo sie nun in Enklaven
und Lagern eingeschlossen sind und weiterhin in Angst leben. Weitere
Zehntausende Zivilisten flüchteten in die Wälder, wo sie schutzlos
ohne jede Hilfe zu überleben versuchen.
Die verheerenden Auswirkungen der Gewalt werden noch durch die
mangelnde humanitäre Hilfe verschlimmert. Selbst in Bangui ist die
Hilfe ausgesprochen dürftig, außerhalb der Hauptstadt gibt es
praktisch keine Hilfe. Menschen sterben aus Mangel an Wasser und
Nahrungsmitteln. Es ist ungeheuerlich, dass selbst auf dem
Flughafengelände in Bangui, in direkter Nähe zur Landebahn, 60.000
Vertriebene unter erbärmlichen Bedingungen leben. Pro Person und Tag
gibt es weniger als vier Liter Wasser, sanitäre Einrichtungen gibt es
kaum. Obwohl die Arbeit von Ärzte ohne Grenzen täglich durch
Zwischenfälle behindert wird, zeigen mehr als 240 internationale und
2.000 nationale Mitarbeiter in 16 Städten landesweit, dass es möglich
ist, humanitäre Hilfe zu leisten.
Ärzte ohne Grenzen ist seit 1997 in der Zentralafrikanischen
Republik tätig. Neben dem Einsatz im Land selbst leisten weitere
Teams Hilfe für Flüchtlinge in Kamerun, im Tschad, in der
Demokratischen Republik Kongo und in der Republik Kongo.
Pressekontakt:
Interviews mit Frank Dörner, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen
in Deutschland, sind möglich.
Videomaterial und Fotos können unter folgendem Link heruntergeladen
werden:
ftp://fotos:uzetan85(at)217.110.40.18/2014-02-Zentralafrika
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