(ots) - Die Ereignisse in der Ukraine sind schockierend
und berühren viele Menschen. Das ist kein fernes Land, das nun am
Abgrund von Diktatur und Bürgerkrieg steht. Es ist eine große
europäische Kulturnation. Nicht weit weg. Es sind mit dem Auto 869
Kilometer von Berlin bis zur ukrainischen Grenze, exakt so viel wie
von Berlin nach Lörrach an der Grenze zur Schweiz. Eine friedliche
Lösung des Konflikts ist von allergrößter Bedeutung für Deutschland
wie für ganz Europa, weil die unfriedliche Variante unweigerlich alle
Europäer berühren würde. Schon über eine dramatische Abkühlung des
Verhältnisses zu Russland, die dann einträte. Ein neuer kalter Krieg.
In Deutschland ist die orangene Revolution unvergessen, Vitali
Klitschko genießt größte Sympathie. Umso mehr erzeugen die Bilder von
Leichen, von misshandelten Menschen, von der Gewalt, die Polizei und
Banden anrichten, Wut und Empörung. Die aber dürfen jetzt nicht die
Leitschnur des Handelns sein. Präsident Janukowitsch ist ohne Zweifel
ein Autokrat, der auf dem Weg zum Diktator ist. Das zeigten schon
vorher die undemokratischen Demonstrationsverbote, die seine Mehrheit
durchgepeitscht hat, das zeigte die selektive Justiz, mit der
geradezu nach Belieben politische Konkurrenten wie Julia Timoschenko
verfolgt wurden. Und dennoch müssen Deutschland und Europa alles
vermeiden, was den Präsidenten jetzt in eine Ecke treibt, aus der er
nur noch einen Ausweg sieht: eine gewaltsame Lösung. In Syrien wurde
Assad zu schnell der Ausweg eines "ehrenhaften" Abganges oder einer
Beteiligung an einer neuen Machtverteilung abgeschnitten. Auch vom
Westen. Das Ergebnis ist bekannt. Noch hat Janukowitsch "nur" die
Polizei und den Geheimdienst losgelassen, nicht die Armee. Gäbe er
dazu den Befehl, würde alles in Strömen von Blut erstickt. Dann
folgte wohl die Spaltung des Landes und vielleicht ein großer
Bürgerkrieg, West gegen Ost, Demokraten gegen Anhänger des Regimes,
später jeder gegen jeden. Mit jedem Toten, den Janukowitschs
Sicherheitskräfte in diesen Tagen zu verantworten haben, wächst
bereits die Gefahr, dass eine solche Entwicklung eintritt. Denn der
Tod ist nicht rückholbar; er verlangt nach einer Antwort und nach
Strafe. Deshalb muss das vordringlichste Ziel ein Stopp der aktuellen
Gewalt sein. Vor allem seitens der Polizei, aber auch seitens der
radikalen Kräfte unter den Demonstranten. Was kann Europa tun? Es
muss jetzt ruhig bleiben. Und gleichzeitig entschlossen. Der
Beschluss, das persönliche Vermögen des Janukowitsch-Clans und der
Oligarchen einzufrieren und ihnen die geliebten Reisen in die
Shopping-Paradiese des Westens zu versperren, ist richtig. Aber es
kann dabei nicht um Bestrafung gehen, sondern um ein Druckmittel,
damit die Herrschenden ernsthafte Verhandlungen mit der Opposition
aufnehmen. Solche Verhandlungen muss die EU auch mit allen
diplomatischen Mitteln unterstützen. Am Ende allerdings, da darf man
sich nichts vormachen, wird nicht die Westorientierung des Landes
liegen. Und auch nicht eine lupenreine Demokratie. Sondern, wenn
überhaupt, ein Kompromiss. Denn die Ukraine ist in sich tief
gespalten. Bei einer Zuspitzung wird es keine wirklichen Sieger
geben. Nur viele Geschlagene.
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