(ots) - Der Kreml-Chef schafft in der Ukraine Fakten
und treibt einen Keil durch Europa.
Die EU und die USA erinnern im Konflikt um die Ukraine an zwei
Zirkusbären, die sich vom großen Zampano in Moskau an Nasenringen
durch die Manege führen lassen. Während die westlichen Regierungen
über eine gemeinsame Antwort auf das russische Vorgehen streiten,
schafft Kreml-Chef Wladimir Putin tagtäglich neue Fakten, die sich
auf diplomatischem Parkett nicht wegverhandeln lassen. Es ist
sicherlich kein Zufall, dass sich das Parlament auf der ukrainischen
Halbinsel Krim ausgerechnet gestern für einen Beitritt zu Russland
aussprach - am selben Tag, an dem der EU-Gipfel über mögliche
Strafmaßnamen gegen Moskau beriet. Die eher milden Sanktionen, die
US-Präsident Barack Obama jetzt als Antwort beschloss, gehen über
Symbolpolitik nicht hinaus. Vor allem verraten sie: Amerika und die
Europäische Union ziehen in der Ukraine-Frage nicht an einem Strang.
Doch nicht nur deshalb kann sich Putin genüsslich die Hände reiben.
Denn auch durch die EU selbst geht ein tiefer Riss, der immer
sichtbarer zutage tritt. Der Kreml-Chef kann an einem sehr langen
Hebel ziehen. Schon die bloße Vorstellung, Moskau könnte den
Energiehahn zudrehen oder Exporte nach Russland würden leiden, lässt
vor allem Deutschland erzittern. Im Gegensatz zu den USA sind viele
EU-Staaten von Gas- und Ölimporten aus Sibirien abhängig.
Gleichzeitig ist Moskau ein wichtiger Exportpartner. Ein weiteres
Druckmittel hat Putin über Tausende westliche Unternehmen, die in
Russland investiert haben. Als Revanche könnte er jederzeit deren
Konten einfrieren. Damit treibt Putin einen Keil durch Europa. Hier
stehen die EU-Länder, für die Russland bisher ein wichtiger
Wirtschaftspartner war. Dort stehen die osteuropäischen Staaten, die
von Putins militärischer Machtdemonstration auf der Krim in einen
kollektiven Schock gestürzt wurden. In den ehemaligen
Warschauer-Pakt-Staaten vergleichen Politiker die aktuelle Krise
bereits mit den sowjetischen Einmärschen in Ungarn 1956 und in der
Tschechoslowakei 1968. Eine entsprechend harte Antwort der EU
verlangen unsere Nachbarn in Prag, in Warschau und den baltischen
Staaten, wo das russische Vorgehen als bedrohliche Aggression
empfunden wird. Diese deutliche Antwort Europas wird es mit Kanzlerin
Angela Merkel aber nicht geben. Mehrfach signalisierte sie, dass sie
von Sanktionen nichts hält. Falls sich die EU tatsächlich zu
Maßnahmen durchringen sollte, werden sie wohl so ausfallen, dass sie
Moskau nicht wirklich wehtun. Brüssel zieht die Scheckbuch-Diplomatie
vor. Mit Milliardenhilfen soll verhindert werden, dass die Ukraine
bereits in den kommenden Wochen kollabiert. Dann würde die Situation
außer Kontrolle geraten - und Putin hätte einen Vorwand, auch in
andere Landesteile "Selbstverteidigungskräfte" zu entsenden. Abseits
davon tobt eine Propaganda-Schlacht - wie die Gerüchte, dass die
Scharfschützen auf dem Maidan aus den Reihen der Opposition stammten.
Unabhängig vom Wahrheitsgehalt solcher Meldungen verfehlen sie ein
Ziel nicht: Der neuen Regierung in Kiew die Legitimität abzusprechen
- wie Putin es von Anfang an tat. Solche Legitimitätsfragen stellt
der Kreml in moskautreuen Staaten nicht. Mit der Invasion auf der
Krim untermauert Putin seinen Machtanspruch auf die Ukraine. Russland
wird es nicht zulassen, dass die EU oder die Nato bis an die eigene
Grenze heranrücken, lautet seine überdeutliche Botschaft. Angesichts
dieser verhärteten Fronten ist es bereits eine gute Nachricht, dass
man überhaupt noch miteinander spricht. Es war Merkel, die
verhinderte, dass noch nicht alle Türen zugeschlagen sind. Jetzt muss
sie Putin klarmachen, dass auch er irgendwann einen Preis bezahlen
muss, wenn er einen neuen Kalten Krieg heraufbeschwört.
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