(ots) - Vertreter des Deutschen Ethikrates, der
österreichischen Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt sowie der
schweizerischen Nationalen Ethikkommission im Bereich der
Humanmedizin sind am 11. März 2014 in Berlin zu ihrer zweiten
gemeinsamen Sitzung zusammengekommen. Bereits am Vorabend hatte
Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert die Gruppe im Bundestag
begrüßt und den Stellenwert der Ethikberatung für die Politik sowie
die Bedeutung der europäischen Verständigung hervorgehoben.
Auf der Tagesordnung des Treffens standen Fragen des Kindeswohls,
die Impfthematik sowie der Themenkomplex Biobanken und
personalisierte Medizin.
Die Frage des Kindeswohls findet im medizinischen Kontext eine
immer größere Beachtung. Diskutiert wird dabei insbesondere, welchen
moralischen Status das Kind hat und wie aktuelle Willensäußerungen
eines Kindes, zum Beispiel die Verweigerung einer medizinisch
erforderlichen Behandlung, gegen die Rechte des zukünftigen
Erwachsenen abgewogen werden können und der Kindeswille entsprechend
der Reife des Kindes zunehmend berücksichtigt wird. Erfreulich sei,
dass die Kinderärzte in zunehmendem Maße dafür sensibilisiert sind
und auf diese Weise konfliktive Entscheidungssituationen minimieren
können.
Beim Austausch über die Impfthematik stand insbesondere die Frage
im Mittelpunkt, ob das Instrument einer Impfpflicht bei bestimmten
Erkrankungen aus ethischer Sicht zulässig oder vielleicht sogar
geboten ist. In diesem Zusammenhang steht hauptsächlich das Recht des
Einzelnen auf eine freie Entscheidung zur Impfung im Widerstreit mit
dem Interesse der Gemeinschaft, mittels einer möglichst hohen
Durchimpfungsrate die Bevölkerung oder Teile der Bevölkerung vor
Krankheiten zu schützen bzw. bestehende Krankheiten vollständig
auszumerzen. Dass in der Praxis die Angst vor den Nebenwirkungen
einer Impfung oft größer ist als die Angst vor der Erkrankung selbst,
führten die Teilnehmer der Tagung auf die schlechte Informationslage
zurück. Hier sollte der Staat in die Pflicht genommen werden,
hinreichende und angemessen differenzierte Informationen
bereitzustellen und das medizinische Personal zu schulen. Einig war
man sich in der Einschätzung, dass freiwilligen Impfungen gegenüber
einer Impflicht für die Allgemeinbevölkerung der Vorzug zu geben ist.
Die Entwicklungen im Bereich der personalisierten Medizin sind
inzwischen so weit vorangeschritten, dass mithilfe von Biomarkern,
verknüpft mit genetischen Daten, bestehende Therapien mit einer
größeren Zielsicherheit - beispielsweise bei der Behandlung von
Brustkrebs - eingesetzt werden, als dies in der Vergangenheit der
Fall war. Als problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang
allerdings die stark steigende Menge an Daten und deren Vernetzung
auf unterschiedlichen Ebenen. Deutlich wird dies insbesondere bei
großen Biobankprojekten, wie beispielsweise der Nationalen Kohorte in
Deutschland, an die daher besonders hohe Anforderungen hinsichtlich
der Datensicherheit und der informierten Aufklärung und Einwilligung
der Studienteilnehmer zu stellen sind. Von zentraler Bedeutung ist
hier eine größtmögliche Transparenz gegenüber den Studienteilnehmern
bezüglich der Verwendung ihrer Daten und des Umgangs mit den
Ergebnissen der Forschung, einschließlich einer kommerziellen
Verwertung durch die Industrie.
Christiane Woopen, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates,
bezeichnete den Austausch der drei Ethikgremien als sehr fruchtbar,
weil die diskutierten Themen alle Räte beschäftigen und angesichts
zunehmender internationaler Verflechtungen nicht vor Ländergrenzen
Halt machten.
Das nächste Treffen der Ethikräte des deutschsprachigen Raums wird
voraussichtlich im März 2015 in Bern stattfinden.
Das Programm des Treffens sowie die Vorträge und
Diskussionsbeiträge der Teilnehmer können unter http://ots.de/3Cm7H
abgerufen werden.
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Ulrike Florian
Deutscher Ethikrat
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