(ots) - Die Geschwindigkeit, mit der in diesen Tagen
Geschichte geschrieben wird, ist atemberaubend. Kaum hat sich die
Krim per Referendum für einen Anschluss an Russland ausgesprochen,
hat sich Moskau die Halbinsel auch schon einverleibt. Zuschauer des
unheimlichen Spektakels sind die Europäer, die dem Tempo der
Inszenierung kaum noch hinterherkommen. Jetzt rächt es sich, dass
Europa in der Außenpolitik über keine langfristige Strategie verfügt.
Die Ereignisse in der Ukraine muss die EU nun zum Anlass nehmen, um
die Lücken zu schließen. Die Krise bietet die Chance dazu. So viel
Einigkeit war nie: Seit Russland seinen Machthunger mit
unerbittlicher Stärke demonstriert, sind die EU-Staaten immer näher
zusammengerückt. Gezwungenermaßen. Denn eigentlich verfolgt gerade in
der Außenpolitik jeder Staat seine eigene Agenda. Meistens wirft man
sich gegenseitig Steine in den Weg. Das liegt nicht nur am immer noch
im Aufbau befindlichen Auswärtigen Dienst der EU, sondern auch an der
Interessenlage der Mitgliedsstaaten. Während die Osteuropäer, allen
voran die Balten, sich von den Vorkommnissen in ihrer Nachbarschaft
bedroht fühlen, haben die südeuropäischen Länder wenig
Anknüpfungspunkte an die Ukraine. Hinzu kommt, dass das
Selbstverständnis der großen Mitgliedsstaaten bisher eine
strategische EU-Außenpolitik verhindert hat. So haben Großbritannien
und Frankreich immer noch ein Problem damit, sich in der Gemeinschaft
unterzuordnen. Alleingänge, wie Paris sie in Mali unternommen hat,
stehen auf der Tagesordnung. Nicht weniger problematisch war bisher
das Vorgehen Deutschlands. Ausgerechnet Europas Schwergewicht hielt
sich in den letzten Jahren vornehm aus allem heraus, was ein größeres
Engagement hätte mit sich bringen können. Ex-Außenminister Guido
Westerwelle gefiel sich in der Rolle des Mahners. Dass es auch anders
geht, zeigt sich in der Krim-Krise. London und Paris reihen sich brav
in die EU-Linie ein. Währenddessen hat auch die neue Bundesregierung
mit ihrer passiven Linie gebrochen. Der diplomatische
Verhandlungsmarathon in Kiew von Bundesaußenminister Frank-Walter
Steinmeier hat dies jüngst bewiesen. Nicht umsonst liegen nun die
Hoffnungen auf Berlin - die übrigen EU-Länder sowie die USA erwarten,
dass Deutschland in dem Streit mit Russland den Ton angibt. Europas
Einsatz in dieser Krise ist eine große Chance für die Gemeinschaft.
Denn dieses Mal stehen die Mitgliedsländer geschlossen hinter den
Bemühungen, Russland in die Schranken zu verweisen. Daraus muss ein
strategischer Konsens erwachsen. Wenn es um die großen Fragen der
Weltpolitik geht, sollte die EU Antworten parat haben. Es geht darum,
als politischer Akteur im globalen Wettlauf mit den USA ernst
genommen zu werden. Diese Bewährungsprobe muss die EU nun meistern.
Dazu gehört auch, eine langfristige Sichtweise auf die Dinge zu
entwickeln. Im aktuellen Fall bedeutet dies, dass sich die EU
dringend unabhängiger von russischen Energielieferungen machen muss.
Außerdem braucht es eine Langzeitperspektive für die Ukraine.
EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle hat Recht, wenn er den
EU-Beitritt des Landes ins Spiel bringt. Aus den Umwälzungen in Kiew
ergibt sich eine Verantwortung für die EU. Schließlich ging den
Pro-EU-Protesten auf dem Maidan die Ablehnung des
Assoziierungsabkommens durch Ex-Präsident Viktor Janukowitsch voraus.
Sollte sich die Ukraine nach den Wahlen für eine weitere Annäherung
an Europa entscheiden, darf die EU nicht Nein sagen. Moskau hätte
dabei das Nachsehen.
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