(ots) - Das Jahr 2014 steht ganz im Zeichen der
Erinnerung an den Ersten Weltkrieg. Da erscheint es wie eine Ironie
der Geschichte, dass gerade jetzt, hundert Jahre später, in der
Ukraine ein Krisenherd entstanden ist, der die Stabilität in Europa
und der Welt gefährdet. Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim
durch Russland ist ein Akt, den der Westen nicht hinnehmen darf. Die
Europäische Union und ihr Verbündeten sind daher gut beraten, die
angekündigten Wirtschaftssanktionen mit allen Konsequenzen
durchzusetzen. Darüber hinaus darf der Gesprächsfaden mit Moskau
nicht abreißen. Mit Druck von außen und Diplomatie hinter
verschlossenen Türen sollte die Situation unter Kontrolle bleiben.
Wie aus dem Nichts sind mit der Krim-Krise alte Konfliktlinien
zwischen Ost und West wieder aufgebrochen. Die unterschiedlichen
Wertesysteme beider Seiten haben sich seit dem Auseinanderfallen der
Sowjetunion vor fast 25 Jahren nicht in Wohlgefallen aufgelöst. Doch
die Ernüchterung über das rigorose Vorgehen Moskaus ist groß. Der
russische Präsident Wladimir Putin hat jedoch nie den Eindruck
vermittelt, ein Demokrat zu sein. Nicht umsonst ist die
Charakterisierung durch Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder vom
"lupenreinen Demokraten" zum geflügelten Wort geworden. Putin ist
auch kein Diplomat. Oft hat er betont, dass er keinen Wert darauf
legt, dem Westen zu gefallen. Doch mit seinen Alleingängen darf er
nicht durchkommen. Die Krim ist verloren, daran gibt es keinen
Zweifel. Jetzt geht es darum, die Souveränität der Ukraine zu wahren.
Die politischen Handlungsmöglichkeiten in Europa sind überschaubar.
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton verfügt weder als Person
noch von Amts wegen über die nötige Autorität. Daher ist es aus
europäischer Sicht sinnvoller, das Kräftemessen auf wirtschaftliches
Terrain zu verlegen. Ökonomisch ist Russland ein Zwerg und damit in
einer Position der Schwäche. Die EU muss verhindern, dass Putin die
Ukraine weiter destabilisiert und zum Beispiel die für Mai
angesetzten Präsidentschaftswahlen dort sabotiert. Das Land braucht
eine legitime Führung und die Unterstützung der EU. Zaudern würde
Moskau vermutlich als Zugeständnis werten. Noch ist unklar, welche
Pläne Putin in Bezug auf die Ukraine noch verfolgt und ob seine
Großmachtallüren mit dem Anschluss der Krim befriedigt sind. Über
eine Teilung der Ukraine wird bereits spekuliert. Das macht die
Situation so unberechenbar. Eine Umfrage im Auftrag des "Spiegels"
hat ergeben, dass die Mehrheit der Deutschen Verständnis für die
Annexion der Krim hat und das Verhalten Moskaus akzeptiert. Russland
den Russen, so die verkürzte Argumentation. Spinnt man den Faden
weiter, so kommt man schnell auf weitere Regionen in Europa, in denen
verschiedene Volksgruppen zusammenleben und neue territoriale Grenzen
entstehen könnten. Schotten und Katalanen stimmen bald über ihre
Unabhängigkeit ab, in Belgien wollen Flamen und Wallonen getrennte
Wege gehen. Im Veneto gab es kürzlich eine Online-Abstimmung, die mit
einem Ja zur Abspaltung von Italien endete, wenn auch ohne rechtliche
Konsequenzen. Südtirol ist heute ein prosperierender Teil Italiens,
aber noch in den 1960er Jahren wurden dort von Separatisten
Strommasten gesprengt. Das friedliche Miteinander verschiedener
Nationen zeichnet Europa heute aus, im Kleinen wie im Großen. Es wäre
leichtfertig, diese Errungenschaft durch kleinstaatliches Denken und
Nationalgetöse aufs Spiel zu setzten. Bayern ist ein gutes Beispiel
dafür, dass Regionalbewusstsein auch ohne eigenen Nationalstaat
erfüllend ausgelebt werden kann.
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