PresseKat - BERLINER MORGENPOST: Deutscher Meister im Streiken/ ein Kommentar von Jochim Stoltenberg

BERLINER MORGENPOST: Deutscher Meister im Streiken/ ein Kommentar von Jochim Stoltenberg

ID: 1039151

(ots) - Ver.di lässt mal wieder die Muskeln spielen. Noch
nicht so richtig, aber doch schon für viele Bürger spürbar, vor allem
in den Zentren der Warnstreiks, zu denen mal wieder Deutschlands
größter Flughafen Frankfurt (Main) zählte, aber auch der Nahverkehr
in Nordrhein-Westfalen und Teilen Sachsens. In Hamburg waren vor
allem Kitas betroffen, in Berlin die BSR, die Schwimmbäder sowie die
Kliniken.

Der öffentliche Dienst mit den Kitas, der Müllabfuhr, dem
Nahverkehr, den Bürgerämtern, den Krankenhäusern und immer wieder den
Flughäfen als Drehscheiben der Mobilität ist aus Sicht der
Gewerkschaften als Kampftruppe besonders effektiv. Weil in der ersten
Stufe der Tarifauseinandersetzung die Warnstreiks und in der zweiten,
dem richtigen Arbeitskampf, praktisch alle Schichten der Bevölkerung
je nach Ver.dis Lust und Laune von den Streikmaßnahmen getroffen
werden können. Und in die Pleite gestreikt werden können Bund, Länder
und Kommunen - anders als Privatunternehmen - auch nicht. Kein Wunder
also, dass die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di deutscher Meister
im Streiken ist. Nach einer Untersuchung der gewerkschaftsnahen
Hans-Böckler-Stiftung fielen 2013 von insgesamt 218 Arbeitskämpfen
169 in die Verantwortung von Ver.di.

Wie gerecht und verantwortungsvoll der jetzt hitziger werdende
aktuelle Konflikt ist, darüber lässt sich trefflich streiten.
Zweifellos können vor allem Kindergärtnerinnen, Krankenschwestern und
Müllmänner zu Recht darauf pochen, für ihre vielfach nicht adäquat
gewürdigte Arbeit besser bezahlt zu werden. Auf der anderen Seite
können die Arbeitgeber mit Fug und Recht darauf verweisen, dass eine
generelle Erhöhung um 100 Euro für jeden Beschäftigten und dann noch
einmal 3,5 Prozent zusätzlich viele Kommunen überfordert. Für die
unteren Lohngruppen würde dies nämlich ein exorbitantes Plus von zehn




Prozent bedeuten, für die höheren immerhin noch fünf bis sechs
Prozent. Aber gemäß den Ritualen wird hoch gepokert, bevor - bislang
fast immer - verantwortungsvoll ausgespielt wird.

Dabei gilt es zwei Folgerungen im Blick zu behalten. Für Ver.di,
dass ein zu hoher Tarifabschluss die Kommunen zwingt, ihre Gebühren
zu erhöhen. Und die treffen alle, Gewerkschafter wie
Nicht-Gewerkschafter. Damit würde zumindest teilweise aufgefressen,
was die Funktionäre für die Mitglieder erkämpfen werden. Die
Arbeitgeber müssen daran erinnert werden, dass sie aufgrund der
Steuerprogression bei jeder Tariferhöhung kräftig mitverdienen. Es
gibt für sie - zumal die Steuern insgesamt kräftig sprudeln - keinen
überzeugenden Grund, übertrieben knickerig zu sein.

Und nicht allein für Ver.di, sondern für alle Einzelgewerkschaften
noch ein Tipp: Fordert von den Parteien endlich eine Abflachung der
"kalten Progression", damit der Staat nicht länger stiller Teilhaber
und Mitkassierer einer jeden Einkommensverbesserung bleibt. Das
nämlich würde alle Bürger entlasten.

Der Kommentar im Internet: www.morgenpost.de/126288992



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Datum: 27.03.2014 - 22:24 Uhr
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