(ots) - Seit dem Abzug der Bundeswehr aus Kunduz hat
das Interesse an Afghanistan in Deutschland deutlich abgenommen. Ob
es eine Nachricht aus Kabul in die Medien schafft, hängt davon ab,
wie viele Menschen gestorben sind - und vor allem welcher
Nationalität. Zur Präsidentenwahl am Samstag schaut die Welt noch
einmal auf das kriegsgebeutelte Land am Hindukusch. Es ist die bisher
wichtigste Abstimmung für das Land. Denn, um gleich einmal die
positiven Nachrichten zu vermelden: Wenn im Mai der neue Präsident
Afghanistans vereidigt wird, ist dies gleichzeitig die erste
demokratische Machtübergabe in der Geschichte des Landes. Dazu gehört
die ebenfalls gute Nachricht, dass Präsident Karsai davon abgesehen
hat, noch einmal zu kandidieren. Laut Verfassung durfte er zwar
ohnehin nicht noch einmal antreten. Trotzdem gab es Befürchtungen,
dass der umstrittene Präsident an seinem Posten hängen würde. Nach
wie vor wird vermutet, dass Karsai auch nach den Wahlen großen
Einfluss auf die afghanische Politik ausüben wird - besonders dann,
wenn sein enger Vertrauter Salmai Rassul die Wahl gewinnen sollte.
Dabei, da sind sich die Medien einig, ist es gar nicht so wichtig,
wer die Wahl tatsächlich gewinnt. Hauptsache, so der Tenor, die
Wahlen sind sicher und fair. Die Taliban boykottieren die Abstimmung
und radikale Elemente warnten bereits: Niemand, der zur Wahl geht,
ist seines Lebens sicher. In den vergangenen Wochen haben die Taliban
zahlreiche Anschläge verübt, bei denen mehrere Menschen starben.
Ziele waren nicht nur das Büro der Wahlkommission und das Restaurant
des bei internationalen Gästen berühmten Serena Hotel in Kabul,
sondern auch Politiker in den übrigen Provinzen, in denen am
Wochenende neue Provinzräte gewählt werden. In Khanabad, 25 Kilometer
östlich vom ehemaligen Bundeswehrfeldlager in Kunduz starb Mitte
Februar ein Zivilist bei einem Selbstmordanschlag, acht weitere
wurden verletzt. In der nördlichen Provinz Sar-i-Pul wurde ein
Kandidat für die Provinzratswahlen sowie acht seiner Begleiter
verschleppt und getötet. Am Freitag wurde dann die Fotojournalistin
und Pulitzerpreisträgerin Anja Niedringhaus von einem Polizisten in
der östlichen Provinz Chost erschossen, ihre Begleiterin schwer
verletzt. Die Taliban verbreiten vor den Wahlen eine Atmosphäre der
Angst. Dass dadurch auch die Wahlbeobachter ihre Arbeit nicht im
gewünschten Maße ausführen können, bedroht die Transparenz der Wahl.
Trotzdem zeichnete sich schon vor dem Wochenende ab, dass viele
Afghanen an den Wahllokalen Schlange stehen werden. Für wen sie auch
abstimmen, eines scheint vor der Wahl tatsächlich bereits sicher:
Alle Kandidaten haben versprochen, die zuletzt stockenden Gespräche
über eine Nato-Folgemission weiterführen zu wollen. Den neuen
Präsidenten erwarten viele Aufgaben. Denn nicht nur in den Wochen vor
der Wahl ist die Gewalt im Land gestiegen. Der Bericht der
Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan über der
Schutz von Zivilisten zeigt für 2013 einen Anstieg von 13 Prozent bei
zivilen Opfern. In den ersten Monate 2014 steigert sich die Gewalt
gegen Frauen und Kinder abermals. Der Drogenhandel floriert, die
Wirtschaft hat keine stabile Grundlage und nur bei der Korruption
liegt Afghanistan bei Länderrankings weit vorne. Die Nato-Staaten,
die sich 2001 so überstürzt ihre Aufmerksamkeit auf Afghanistan
lenkten, dürfen jetzt nicht so tun, als ob sie das Land nichts mehr
angeht - auch wenn ihre Soldaten nicht mehr am Hindukusch sterben.
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