Das Anästhetikum Ketamin kann aktuellen Forschungsergebnissen zufolge bei schwer depressiven Menschen angewendet werden, um ihnen aus ihrer Niedergeschlagenheit zu helfen. Das „Journal of Psychopharmacology“ berichtete Anfang April 2014, dass Ketamininfusionen bei Patienten mit schweren Depressionen, bei denen keine andere Behandlung anschlägt, eine schnelle Besserung bewirken können. Die Ärzte waren erstaunt, wie schnell die Wirkung eintritt. Mit Ketamin-Infusionen gelingt es oft binnen Stunden, Schwerkranke aus der Depression zu holen. SSRI und andere gängige Antidepressiva brauchen dafür Wochen.
(firmenpresse) - Weitere Forschungen haben gezeigt, dass das Mittel entgegen der bisherigen Annahme nicht unbedingt infundiert werden muss, um seine Wirkung zu entfalten. Das Narkotikum, das als Nebenwirkung Halluzinationen hervorruft und daher einen zweifelhaften Ruf als Partydroge genießt, kann ebenso intranasal verabreicht werden. Das geht aus einer randomisierten Studie mit 18 Patienten hervor, die kürzlich in der Fachzeitschrift „Biological Psychiatry“ vorgestellt wurde. Bei depressiven Patienten mit schwersten Symptomen, die zuvor bereits mit mindestens einem gängigen Antidepressivum erfolglos behandelt worden waren, zeigten sich bereits 24 Stunden nach der ersten Anwendung deutliche Zeichen einer Besserung. Die Forscher maßen zu diesem Zweck die Schwere der Depression nach der der Montgomery-Asberg-Depression-Rating-Scale (MADRS). Andere Parameter, die zur Einschätzung des Therapieerfolgs herangezogen wurden, waren die Dauer der antidepressiven Wirkung, der Anteil der Responder sowie die Selbsteinschätzung der Patienten hinsichtlich der gefühlten Verbesserung ihrer Symptome.
Acht von 18 Patienten, die Ketamin intranasal erhalten hatten, zeigten bereits 24 Stunden nach der Verabreichung eine deutliche Verbesserung der Depressionssymptome. In der Vergleichsgruppe, die lediglich ein Placebo erhalten hatte, war es nur einer. Die antidepressive Wirkung hielt dabei im Durchschnitt 70 Tage lang an. In zwei Fällen musste die Behandlung wegen akuter Nebenwirkungen abgebrochen werden. Bei fünf Patienten wurde die Behandlung abgebrochen, weil sich keine Besserung zeigte oder weil die Patienten über Angstzustände klagten.
Trotz dieser guten Nachrichten sind die Pharmakologen skeptisch, was die Praxistauglichkeit von Ketamin betrifft. Das Medikament hat nämlich eine ganze Reihe von starken Nebenwirkungen. Diese reichen von motorischer Unruhe, Übelkeit und Erbrechen über dissoziative Rauschzustände bis hin zu Halluzinationen. Forschungsgruppen beschäftigen sich zurzeit damit, die antidepressive Wirkung von Ketamin über das glutamaterge System, die inzwischen schon recht gut verstanden wird, mit anderen, weniger riskanten Substanzen nachzuahmen. Sollte dies gelingen, wäre das der größte Fortschritt in der Behandlung von Depressionen seit 50 Jahren.
Auch in Deutschland werden bereits Patienten mit Ketamin behandelt, wenn auch nur im Rahmen von Studien. Diese finden aktuell in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité in Berlin statt.
Bis besser verträgliche Substanzen zur Verfügung stehen, bliebt Ketamin ein letzter möglicher Behandlungsansatz bei Patienten mit schweren und schwersten Depressionen, die auf keine andere Behandlung ansprechen – dies allerdings nur unter ärztlicher Kontrolle und im klinischen Rahmen.
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