(ots) - Seit Ende der Apartheid regiert in Südafrika
der African National Congress (ANC). Die Anti-Apartheid-Partei wird
auch die fünfte freie Parlamentswahl in der Geschichte des Landes
gewinnen - und zwar deutlich. Umfragen sehen den ANC wie vor fünf
Jahren bei 65 Prozent. Und doch sind diese Wahlen anders als die
vorherigen. Nicht nur, dass es das erste Votum seit dem Tod von
Nationalheld und ANC-Mitglied Nelson Mandela ist. Die Zahl derer, die
der Regierungspartei einen Denkzettel verpassen wollen, steigt.
Kritikern des Präsidenten Jacob Zuma mag es so vorkommen, als sei der
72-Jährige schon Jahrzehnte an der Macht. So wenig Fortschritt hat
das Land in seiner Amtszeit gemacht, so viele Skandale und verbale
Entgleisungen hat sich der ANC-Chef bereits geleistet, dass man damit
locker zwei Amtszeiten füllen könnte. Doch Zuma ist erst fünf Jahre
Präsident und darf noch fünf weitere regieren. Selbst wenn das
Wahlergebnis schlechter ausfallen sollte, als bei der Wahl vor fünf
Jahren, ist ein Verzicht auf das Amt unwahrscheinlich. Der Präsident
ist ein Machtmensch. Die Selbstherrlichkeit des Präsidenten und
gewisser Führungszirkel der Partei hat in den vergangenen Jahren
jedoch viele ehemalige Unterstützter entfremdet. Ein Anlass war
definitiv der Umgang der Regierung mit den südafrikanischen
Minenarbeiterstreiks 2012, bei denen mehr als 40 Menschen starben,
die meisten von Polizisten erschossen. Die zweifelhafte Aufarbeitung
des "Massakers von Marikana" veranlasste die einflussreiche
Metallarbeitergewerkschaft Numsa dazu, erstmals keine Wahlempfehlung
für den ANC auszusprechen und gar den Rücktritt Zumas zu fordern. Die
Gewerkschafter planen nun offenbar die Gründung einer neuen
Arbeiterpartei, die bei den Wahlen 2019 antreten soll. Unterstützung
bekommen die ANC-Boykotteure unter anderem von ehemaligen Mitgliedern
der Regierungspartei. Ronnie Kasrils, ehemaliger Freiheitskämpfer und
südafrikanischer Geheimdienstchef sorgte in den vergangenen Monaten
mit einer "No Vote" Kampagne für Schlagzeilen, die den Südafrikanern
rät, lieber eine ungültige Stimme abzugeben als das Kreuz beim ANC zu
machen. Auch Abahlali base Mjondolo, eine Bewegung, die sich für die
Rechte von Bewohnern informeller Siedlungen einsetzt, empfahl bei
vergangenen Wahlen den Armen in Südafrika unter dem Motto "No Land,
No Houses, No Vote!" die Wahlen zu boykottieren. Doch die
gleichbleibend schlechten Lebensbedingungen veranlassen die
Slumbewohner jetzt zu einem durchaus als radikal zu bezeichnenden
Schritt. Sie unterstützen bei der heutigen Wahl die Democratic
Alliance (DA) von Helen Zille, die der Bevölkerungsmehrheit immer
noch als Vertreterin der "liberal whites" gilt. Mit dem Coup, die
beliebte Anti-Apartheid-Aktivistin Mamphela Ramphele als
Spitzenkandidatin der DA zu präsentieren, fand Zille eine Antwort auf
ihr Dilemma, für einen Großteil der Bevölkerung unwählbar zu sein.
Das vielversprechende Bündnis scheiterte an Parteiquerelen, sowohl
die DA als auch Rampheles Agang-Partei gingen geschädigt aus der
Episode hervor. Präsident Zuma kann sich also bei der heutigen
Abstimmung noch darauf verlassen, dass seine Gegner keine gemeinsame
Strategie finden, den ANC aus der Regierung zu hebeln oder zumindest
zu einer Koalition zu zwingen. Dass die zunehmende Opposition, auch
vonseiten ehemaliger Unterstützer, den ANC-Chef und seine Partei dazu
bringen, ihre Politik in den kommenden fünf Jahren zu überdenken, ist
trotzdem unwahrscheinlich. Dass die Wähler dies ein weiteres Mal
verzeihen, allerdings ebenso.
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