(ots) - Chlorhühnchen, Hormonfleisch, Gen-Gemüse:
Glaubt man den Kritikern des EU-USA-Freihandelsabkommens werden
europäische Agrarprodukte demnächst von amerikanischen
Hochleistungslebensmitteln verdrängt. Die mühsam errichteten
EU-Schutzstandards würden dann nicht mehr gelten, heißt es. Seit
Beginn der Verhandlungen ranken sich immer mehr Legenden und
Spekulationen um das geplante Abkommen. Dass allzu viel davon gar
nicht stimmt, geht im Eifer des Wahlkampfes unter. Brüssel ist daran
nicht unschuldig. Als Verhandlungsführerin muss die EU-Kommission
transparenter werden. Aufklärung ist dringend nötig. Der Argwohn
gegenüber den europäischen Institutionen sitzt bei vielen Bürgern,
Politikern und Nichtregierungsorganisationen tief. Dass ausgerechnet
die gern als bürokratischer Moloch verschriene EU-Kommission die
Verhandlungen mit den USA über das Freihandelsabkommen führt, hat das
Unbehagen weiter befördert. Davon profitieren mitten im
Europawahlkampf diejenigen Parteien, die TTIP noch vor dem Abschluss
am liebsten wieder begraben würden. Es grenzt an Panikmache, was
einzelne Akteure in Bezug auf das Abkommen behaupten. So wird
lautstark die Abschaffung der europäischen Schutzstandards für
Lebensmittel und Agrarerzeugnisse prophezeit. Dabei findet sich dazu
kein Wort im Verhandlungsmandat. Dasselbe gilt für die Befürchtungen
der Städte, das Abkommen könnte der öffentlichen Wasserversorgung
einen Riegel vorschieben. Derartige Sorgen mögen verständlich sein,
begründet sind sie derzeit jedoch nicht. Über Lebensmittelsicherheit
und Wasserversorgung wird beim TTIP den offiziellen Dokumenten
zufolge nicht geredet. Experten gehen hingegen davon aus, dass
Amerikaner und Europäer sich in punkto Lebensmittel auf eine ähnliche
Klausel einigen werden, wie sie auch im Freihandelsabkommen mit
Kanada gilt. Diese besagt, dass beispielsweise importiertes Fleisch,
das nicht den Standards des Importlandes entspricht, ins Heimatland
zurückgeschickt wird. Deutsche Verbraucher müssen also keine Angst
davor haben, dass ihnen Hormonfleisch ,made in US' untergejubelt
wird. Die Spekulationen zeigen, dass die EU-Kommission es (wieder
einmal) versäumt hat, die Bürger mitzunehmen. Es ist zwar
verständlich, dass die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen
stattfinden. Dennoch gilt es, ein Maximum an Transparenz zu schaffen.
Die jetzige Kampagne gegen TTIP zeigt, dass dies bisher
offensichtlich nicht gelungen ist. Dieses verlorene Vertrauen muss
zurückgewonnen werden. Dazu gehört auch, dass Brüssel die geplante
Klausel zum Investitionsschutz noch einmal überdenkt. Deren Folge
wäre tatsächlich schädlich für den hiesigen Rechtsstandard:
Amerikanische Unternehmen könnten EU-Staaten verklagen, wenn sie ihre
Investitionen gefährdet sehen. Die Klage würde nicht vor einem
regulären Gericht verhandelt, sondern vor einem Schiedsgericht mit
internationalen Anwälten. Da öffnet sich ein Tor für Missbrauch. Die
Befürworter von TTIP täten gut daran, ihre Argumente rasch und in
ausführlicher Form vorzulegen. Es reicht nicht, lediglich auf die
Zollersparnisse zu verweisen. Diese sind in der Realität minimal.
Schon jetzt sind die Zölle zwischen der EU und den USA so niedrig wie
nirgendwo sonst. Die Chancen liegen vielmehr im Abbau von anderen
Handelshemmnissen: Ob Patentrecht, Industrienormen oder
Bankenregulierung - einigen sich EU und USA hier auf gemeinsame
Standards muss der Rest der Welt nachziehen. Diese Chance gilt es
nicht zu verpassen.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten(at)mittelbayerische.de