(ots) - Im Ukraine-Konflikt schlägt die Stunde der
Verschwörungstheoretiker und der Populisten. Obwohl sich diese Krise
nun wirklich nicht für billige Polemik eignet, sind sich heimische
Politiker nicht zu schade, sie für den Europawahlkampf
auszuschlachten. Gleichzeitig erobern EU-Verächter und Amerika-Hasser
die Internet-Meinungsforen und drücken dort ihr wachsendes
Verständnis für Kreml-Chef Wladimir Putin aus, der sich völlig
berechtigt gegen westliche Imperialisten sowie Faschisten in Kiew zur
Wehr setze. Solch krude Theorien lassen sich längst nicht mehr
irgendwelchen exotischen Einzelmeinungen zurechnen, wie sie zu
anderen Themen im Netz kursieren. Vielmehr bestimmen sie inzwischen
tausendfach das digitale Meinungsbild zum Ukraine-Konflikt mit. Die
Europäische Union etwa wird als großer Aggressor der Weltpolitik
hingestellt, weil sie eine Kiewer Regierung aus Terroristen und
gefährlichen Irren unterstütze. Aus dem Assoziierungsabkommen mit der
Ukraine wird ein feindseliger Akt gemacht, durch den sich Russland in
seiner Existenz bedroht sehen müsse. Völlig unterschiedliche
Brandherde wie Syrien, der Irak und Afghanistan werden mit der
Ukraine in einen Topf geworfen. Das Ganze wird dann noch gewürzt mit
einer deftigen Schelte an den westlichen Medien, die alle
gleichgeschaltet und von Amerika gesteuert seien. Und fertig ist ein
giftiges Gebräu, das direkt aus der Küche des russischen
Geheimdienstes stammen könnte - und manchem den Blick trübt. Munter
verwechseln die vermeintlichen Putin-Verstehern dabei Ursache und
Wirkung. Es sei jedoch daran erinnert, dass das von vielen
gescholtene Assoziierungsabkommen zwischen EU und Ukraine nicht in
Geheimgesprächen ausbaldowert wurde. Jahrelang verhandelte Brüssel
offen darüber - auch mit Putins einstiger Marionette in Kiew, Viktor
Janukowitsch - bis dieser von einem Tag auf den anderen nichts mehr
von dem Vertrag wissen wollte. Genau dieser plötzliche Kehrtschwenk
gab den Ausschlag für die zunächst friedliche Revolution auf dem
Maidan. Wer das nun - von der Propaganda benebelt - als westliche
Aggression auslegt, fragt wahrscheinlich auch nicht, woher die
sogenannten prorussischen Aktivisten panzerbrechende Waffen und
Luftabwehrraketen haben. Aus dem Laden für Anglerzubehör in Donezk
jedenfalls nicht. Die EU mag bisher glücklos agiert haben, vielleicht
war sie bei den Verhandlungen zum Assoziierungsabkommen blauäugig in
puncto Putins Herrschaftsanspruch und der inneren Zerrissenheit der
Ukraine. Auch die ukrainische Ãœbergangsregierung hat Fehler gemacht.
Das rechtfertigt aber nicht das Verhalten Moskaus. Der Anschluss der
Krim ist genauso völkerrechtswidrig wie das Referendum in der
Ostukraine. Spätestens seit dieser Abstimmung ist die Spaltung des
Landes unter Regie des Kremls vollzogen. Während bei uns
Verschwörungstheoretiker Tatsachen verdrehen, schafft Putin auf der
europäischen Landkarte Fakten. Niemand will einen Krieg in Europa -
auch Putin nicht. Dieses Thema ist zu ernst für wirre Thesen, üble
Propaganda und plumpen Populismus. Doch völlig überflüssigerweise
gesellt sich zur Melange aus verdrehten Tatsachen auch noch die
übliche CSU-Scharfmacherei. Da stellt der Europaabgeordnete Markus
Ferber den deutschen Außenminister als diplomatisches Irrlicht hin,
der außer Spesen nichts zur Lösung des Ukraine-Konflikts beigetragen
habe. Dabei ist der von Frank-Walter Steinmeier mitinitiierte "Runde
Tisch" in Kiew ja genau der Beleg dafür, dass die EU etwas
unternimmt, um den Konflikt doch noch diplomatisch zu lösen. Ferber
sollte sich ernsthaft fragen, wem die Attacke auf Frank-Walter
Steinmeier letztlich nutzt. Den Vermittlungsbemühungen der
Bundesregierung sicher nicht. Der Angriff ist reine Wahlkampfpolemik,
die der CSU am 25. Mai jedoch kaum die Wähler in Scharen zutreiben
wird.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten(at)mittelbayerische.de