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Mittelbayerische Zeitung: Löws Wundertüte - Wohl nie zuvor diente ein WM-Start der deutschen Mannschaft mehr der Standortbestimmung. Von Heinz Gläser

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(ots) - Die ersten Pluspunkte hat Joachim Löw bei
dieser WM bereits gesammelt. Der Bundestrainer flüchtete sich nicht
in die ebenso wohlfeile wie unsägliche Floskel, Sport und Politik
dürften nicht miteinander vermischt werden. Nein, der 54-Jährige
redete Klartext: "Ich persönlich unterstütze, was diese Leute
einfordern: Bildung, Gesundheit, Demokratie." Ein mutiges Signal. So
zu tun, als fände das Turnier in Brasilien im luftleeren Raum statt,
wäre auch lächerlich. Wie unter einem Brennglas werden die sozialen
Verwerfungen in diesem Schwellenland für alle Welt sichtbar. Doch mit
dem Auftaktspiel der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gegen
Portugal rücken die sportlichen Aspekte in den Vordergrund. Löw, der
nach acht Jahren im Amt eine beeindruckende Souveränität ausstrahlt,
geht mit einem "guten Gefühl" in die WM. Wenn es ihn nur nicht trügt.
Gewissheiten hat er jedenfalls keine vorzuweisen. Wohl nie zuvor
diente ein Start mehr der Standortbestimmung. Joachim Löws Mannschaft
ist eine Wundertüte, selbst für ihren Spiritus Rector selbst. Löw
erlebt in Südamerika eine Premiere. Erstmals vor einem großen Turnier
ist er in seiner Funktion nicht mehr unumstritten. Seine Arbeit wird
mit Argusaugen beobachtet. Noch ist die Stimmungslage diffus, doch im
Fußball-Volk daheim neigen immer mehr der Ansicht zu, es könnte Zeit
für einen Wechsel sein. Kristallisationspunkt ist und bleibt das Aus
gegen Italien im EM-Halbfinale 2012. Seither lastet auf dem Badener
der Generalverdacht, er lasse in den entscheidenden Situationen stets
ein glückliches Händchen vermissen. Dass es Feingeistern und Ästheten
an der nötigen Wettkampfhärte und Entschlossenheit gebricht, ist seit
Jahrzehnten ein sorgsam gepflegtes Vorurteil im Fußball. Der Auftrag
ist klar umrissen. Löw muss die nun 18 quälend langen Jahre der
Titellosigkeit beenden. Er soll diese vermeintlich goldene Generation




mit Ausnahmekönnern wie Philipp Lahm, Mesut Özil oder Mario Götze
endlich ans Ziel führen. Dabei ist das, da hat Teammanager Oliver
Bierhoff völlig recht, fast ein Ding der Unmöglichkeit. Gastgeber
Brasilien vor allem dürfte ein schier unüberwindbares Hindernis
darstellen - auch wegen der sportpolitischen Erwägungen im
Hintergrund, über die sich trefflich spekulieren lässt. Die
Parallelen zur WM in Südafrika vor vier Jahren sind frappierend. Die
deutsche WM-Formation ist aus der Not geboren. Dass der große
Hoffnungsträger Marco Reus nach einem bedeutungslosen Kick gegen
Armenien fürs Turnier passen musste, ist bezeichnend. Löws
Personaltableau besteht zum Teil aus Aushilfskräften. Diesen Status
hatte 2010 auch Thomas Müller inne. Er reiste aus Südafrika als
gefeierter Torschützenkönig heim, und das deutsche Team hatte im
Achtelfinale gegen England sowie im Viertelfinale gegen Argentinien
die beiden imponierendsten Vorstellungen seit der WM 1990 in Italien
auf den Rasen gezaubert. Mindestens das Viertelfinale zu überstehen,
ist auch diesmal die Minimalanforderung. Sonst heißt es raus ohne
Applaus - sehr wahrscheinlich auch für den Bundestrainer.



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Datum: 15.06.2014 - 21:08 Uhr
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