(ots) - 17. Juni 2014 - Trotz des parteiübergreifenden
Kampfs deutscher Finanzpolitiker gegen Steuerflucht und die
Steuergestaltung großer Konzerne unterhalten staatliche deutsche
Banken immer noch über 100 Töchter und Beteiligungen in Steueroasen
wie den Bermudas, den Cayman Islands, auf Jersey, im US-Bundesstaat
Delaware, in Luxemburg und Irland. Dies ergab eine Recherche des
Wirtschaftsmagazins 'Capital' (Ausgabe 7/2014, EVT 18. Juni). Allein
die Landesbanken von Baden-Württemberg (LBBW), Bayern (Bayern LB),
Hessen und Thüringen (Helaba), Niedersachsen und Sachsen-Anhalt
(NordLB) sowie von Hamburg und Schleswig-Holstein (HSH Nordbank)
zählten dort Ende 2013 laut ihren letzten Geschäftsberichten knapp
100 Tochterunternehmen und Beteiligungen. Hinzu kommen in Delaware
fünf Töchter der staatlichen Bad Bank FMS Wertmanagement, die die
Altlasten der 2008 verstaatlichten Bank Hypo Real Estate abwickelt.
Der US-Bundesstaat ist für seine besonders laxen Steuer- und
Regulierungsvorschriften bekannt.
Die Ableger sind brisant, da sich gerade deutsche Landes- und
Bundespolitiker seit einigen Jahren im Kampf gegen Steueroasen
hervortun. Konzerne, die aus Steuer- oder Aufsichtsgründen ihre
Geschäfte ins Ausland verlagern, werden heute gern scharf kritisiert.
Anders als Steuerhinterziehung ist Steueroptimierung aber nicht
illegal. Und trotz der harschen öffentlichen Kritik an privaten
Unternehmen tolerierten vor allem Landespolitiker über Jahre die
Geschäfte ihrer Landesbanken.
Meist handelt es sich auch bei den Ablegern deutscher Staatsbanken
lediglich um Briefkasten¬firmen ohne eigene Mitarbeiter. Die
eigentlichen Geschäfte werden weiter in den Zentralen ge¬macht, nur
außerhalb des deutschen Rechtsraums. Welche Geschäfte die Banken
genau über ihre Tochterunternehmen abwickeln und warum sie diese
ausgerechnet über Steueroasen betreiben, erklären die Geldinstitute
selbst auf Nachfrage nur vage. Ein Sprecher der LBBW etwa, die knapp
40 Tochtergesellschaften in Steueroasen unterhält, erklärte, über die
Ableger verschaffe sich die Bank "den bestmöglichen Zugang zu den
internationalen Geld- und Kapitalmärkten". Dennoch wolle sich die
Bank heute von ihren Töchtern, die allesamt vor Ausbruch der
Finanzkrise gegründet worden seien, wieder trennen. "Aus Sicht des
heutigen Vorstands sind vergleichbare Aktivitäten weder geplant noch
akzeptiert."
Wie schwer und langwierig sich die Auflösung der Geschäfte
gestaltet, zeigt sich derzeit bei der Abwicklung der ehemaligen
Westdeutschen Landesbank (WestLB) in Düsseldorf. Gegenüber
nordrhein-westfälischen Landtagsabgeordneten erklärten die Chefs der
WestLB-Nachfolgegesellschaft Portigon, sie könnten selbst nicht mehr
nachvollziehen, warum ihre Vorgänger einst über 30 Töchter in
Steueroasen gegründet hätten. Viele Mitarbeiter von damals hätten die
Bank verlassen und stünden "als Wissensträger nicht mehr zur
Verfügung", heißt es in einem Schreiben des heutigen Portigon-Chefs
Kai Wilhelm Franzmeyer an den Finanzausschuss des Landtages. Ob und
wenn ja wie die Bank ihre Tochterunternehmen genutzt habe, um selbst
Steuern zu sparen oder zumindest ihren Kunden dabei zu helfen, könne
man nicht mehr klären. "Eine Erhebung derartiger Daten und ihre
anschließende Bewertung stellt einen nicht darstellbaren Aufwand
dar", heißt es in dem Schreiben weiter, das 'Capital' vorliegt.
Allerdings fällt auf, dass die WestLB über Steueroasen nicht nur
komplizierte Finanzinstrumente verkaufte, sondern hier auch Geschäfte
mit Software-Lizenzen oder etwa einen Pensionsfonds für ausgesuchte
eigene Mitarbeiter ansiedelte.
2012 wurde die Landesbank auf Druck der EU-Kommission zerschlagen
und wird seither abgewickelt. Für die Verluste aus den Geschäften,
die in die Milliarden gehen dürften, haftet der Steuerzahler. Vor dem
eigens eingerichteten Untersuchungsausschuss des Landtags soll
voraussichtlich am 23. Juni Ex-Ministerpräsident und
Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück aussagen. Der SPD-Politiker
gilt als einer der schärfsten Kritiker von Steueroasen und ihren
Kunden. In seiner Zeit als Verwaltungsratsmitglied der WestLB von
Herbst 1998 bis August 2002 gründete die Landesbank nach
'Capital'-Recherchen allerdings mindestens sieben
Tochtergesellschaften in Irland, auf Jersey und den Cayman Islands.
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