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Mittelbayerische Zeitung: Europa steht in der Pflicht - Die EU ist ein Friedensprojekt. Sie muss dieser Rolle international gerecht werden. Von Christian Kucznierz

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(ots) - Hätten Sie gewusst, dass heute der Tag des
öffentlichen Diensts ist? Oder dass am Samstag der internationale Tag
der selbst gemachten Musik war? Nein? Kein Wunder. Es gibt für so
ziemlich alles einen Aktionstag, mehr oder minder sinnhaft. Und so
verging der Weltflüchtlingstag am Freitag auch fast unbemerkt. Wenn
nicht das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) Zahlen
vorgelegt hätte, nach denen im vergangenen Jahr mehr als 50 Millionen
Menschen weltweit auf der Flucht waren. Ein trauriger Rekord: Es ist
die höchste Zahl seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat angesichts dessen
und der steigenden Zahl von Menschen, die vor der Gewalt im Irak
fliehen, nun mehr Geld für humanitäre Hilfe im Mittleren Osten
versprochen. Zudem fordert er einen eigenen EU-Kommissar, der sich
mit dem Flüchtlingsthema befasst. Beides sind wichtige Signale. Dabei
ist es erfrischend, dass gerade ein CSU-Politiker das Thema
aufgreift. Wo doch die Christsozialen mit dem Thema Armutszuwanderung
auf Stimmenfang am rechten Rand gingen (und damit scheiterten). Die
steigende Zahl der Menschen, die auf der Suche nach einer Zukunft und
nach Sicherheit für sich und ihre Familie alles zurücklassen, ist
ebenso eine Folge verfehlter und im Kern postkolonialer
Wirtschaftspolitik der Industriestaaten wie auch eine Folge des
Versagens der internationalen Politik. Afrika ist nach wie vor
billiger Absatzmarkt für europäische Waren und Güter, was die Märkte
vor Ort zerstört und den Menschen ihre Lebensgrundlage entzieht. Dazu
kommen die Konflikte in der Zentralafrikanischen Republik oder im
Südsudan, denen die Staatengemeinschaft fast achselzuckend
gegenübersteht. Nicht einmal die humanitäre Krise, die der
Syrienkrieg ausgelöst hat, findet die Beachtung, die sie verdient
hätte. Allein der Bürgerkrieg dort hat bislang neun Millionen




Menschen in die Flucht getrieben, 2,5 Millionen davon ins Ausland,
der Rest ist im Land entwurzelt worden. Die Nachbarstaaten sind mit
der Aufnahme heillos überfordert. Nun wird der Irakkonflikt weitere
Millionen Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, ins Exil
treiben. In diesem drohenden Jahrzehnt der Flucht muss die
Flüchtlingspolitik übergreifende Bedeutung auf allen politischen
Bereichen haben. Es kann nicht mehr sein, dass die Welt tatenlos dem
Morden des Assad-Regimes zusieht, nur weil unterschiedliche
Interessen zwischen Moskau, Washington, China oder Teheran herrschen.
Die engere Zusammenarbeit zwischen dem Iran und den USA in der
Irakkrise macht in diesem Zusammenhang Mut. Aber das alleine reicht
nicht. Wer heute, im Jahr des Gedenkens an den Ausbruch des Ersten
Weltkriegs, angesichts der Krise in der Ukraine Angst hat, die
Geschichte könne sich wiederholen, weil hier alte Blöcke neu
aufeinanderprallen, denkt zu kurz. Die Welt dreht sich nicht um die
Ukraine, nicht um Syrien, schon gar nicht um den Südsudan. Die Welt
ist im Zeitalter nach dem Kalten Krieg aus den Angeln gehoben. Weil
es keinen Grundkonflikt zwischen unterschiedlichen Ideologien mehr
gibt, der Bündnisse zusammenschweißt, hat jeder Konflikt Potenzial
zur Eskalation. Siehe Ukraine. Siehe Syrien. Umso nötiger ist eine
stärkere internationale Zusammenarbeit, auch über alte Blockgrenzen
hinweg. Die Europäische Union muss dabei eine Führungsrolle
übernehmen. Ein kriegsmüdes Washington fällt als Weltpolizist oder
Mediator ebenso aus wie ein machiavellistisch regiertes Moskau oder
ein nach Hegemonialstellung dürstendes Peking. Europa als Kontinent,
der die beiden Weltkriege gebar, der Jahrhunderte lang definiert war
durch Konflikt, ist heute nicht nur Wirtschaftsmacht, sondern ein
weltweit beachtetes Leuchtturmprojekt in Sachen Frieden. Auch Frieden
lässt sich exportieren: durch eine einstimmige, ausgleichend wirkende
Außenpolitik. Durch militärische Intervention zum Schutz bedrohter
Menschen. Oder dadurch, dass die EU ihre Wirtschaftspolitik
überdenkt. Europa muss sich dieser Verantwortung stellen. Alleine
schon, weil ein großer Teil der weltweit 51,2 Millionen Flüchtlinge
an unseren Küsten strandet.



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Datum: 22.06.2014 - 18:57 Uhr
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