(ots) - Es war nur eine Personalie. Und doch verbarg sich
hinter dem Gezerre um den neuen Chef der EU-Kommission nicht weniger
als eine europäische Schicksalsfrage: Juncker oder Cameron? Mehr
Europa oder weniger Europa? Fast wie Hamlets Sein oder Nichtsein. Am
Ende hatte der Luxemburger Jean-Claude Juncker die Mehrheit der
Staats- und Regierungschefs hinter sich. Sein zähester Gegner, der
britische Premier David Cameron, nahm seine absehbare Niederlage
bewusst in Kauf - vor allem, um die wachsende Schar der
Europa-Skeptiker auf der Insel ruhigzustellen. Nicht allein in der
EU-feindlichen Ukip-Partei, auch bei vielen Tories ist eine immer
engere Union ein No-Go. Camerons Schlappe ist zugleich ein Sieg des
EU-Parlaments. Denn mit der Nominierung von Spitzenkandidaten -
darunter Juncker für die Konservativen - hat es einen Präzedenzfall
geschaffen, der nicht mehr rückgängig zu machen ist. Junckers
indirekte Wahl hat die Macht der Staats- und Regierungschefs, die
formal das Vorschlagsrecht haben, eingeschränkt. Ein kleiner Sieg für
die Demokratie! Dennoch wäre es fatal, die britische Niederlage
hämisch zu feiern. Vielmehr sollte Brüssel Camerons Argumente
hinterfragen. Immer mehr Europa? Dagegen sträuben sich längst nicht
nur die Teetrinker von Albion. Was ist mit dem kaum noch Erwähnung
findenden Prinzip der Subsidiarität? Danach wird die EU nur dann
tätig, wenn sie in der Lage ist, effizienter als die einzelnen
Mitgliedstaaten zu handeln. Und hierbei geht es längst nicht nur um
regulierte Staubsauger oder Glühbirnen, die die Menschen zutiefst
verärgern. Bisher hat die EU eine Wirtschafts- und Finanzpolitik
verfolgt, die zwar den Euro erhalten hat, aber kaum noch Wohlstand
oder Beschäftigung beschert. Stattdessen hat sich Europa politisch
radikalisiert. Zur Bankenrettung wurden 700 Milliarden Euro ins Feuer
geworfen, für arbeitssuchende Jugendliche gerademal sechs.
Zockerbanken wurden Grenzen gesetzt, die löchrig wie Schweizer Käse
sind. Vor Juncker stehen riesige Aufgaben. Und wohl nicht allein die
Briten werden es mit Karl Valentin halten: "Hoffentlich wird es nicht
so schlimm, wie es jetzt schon ist."
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