(ots) - Exzellenter professioneller Journalismus bleibt
auch langfristig das Kerngeschäft der deutschen Zeitungsverleger, und
seine nachhaltige Refinanzierung ist die größte Herausforderung für
die Verlage, erklärte der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger
(BDZV) bei seiner Jahrespressekonferenz am 8. Juli in Berlin. Im
Zentrum der Verlagsstrategien stehe die Weiterentwicklung der Zeitung
in all ihren Ausprägungen, erläuterte BDZV-Hauptgeschäftsführer
Dietmar Wolff. Dabei eröffneten die digitalen Technologien neue
Möglichkeiten, Inhalte zu präsentieren. Von der klassischen
gedruckten Zeitung über E-Paper, Apps für Smartphones und Tablets,
stationäre und mobile Webseiten bis zu Social-Media-Kanälen wie
Facebook und Twitter reiche das publizistische Angebot. Bei der
dringend notwendigen Ãœbertragung der Bezahlkultur aus der gedruckten
in die digitale Zeitungswelt seien die Verlage auf einem guten Weg.
Wolff führte aus, dass die Zeitunghäuser "so mutig und innovativ"
seien wie nie zuvor und noch stärker als bisher neue digitale Inhalte
und auch Dienstleistungen anböten. Dabei gebe es keine Patentrezepte.
"Jedes Unternehmen muss für sich herausfinden, was die Kunden wollen
und was zur eigenen Marke passt." Die Erweiterung der
unternehmerischen Aktivitäten sei bei den Verlagen gelernt, so Wolff
mit Hinweis auf die Beteiligungen bei Radio und TV, bei
Anzeigenblättern, Direktverteilern und Postdienstleistern. Vor diesem
Hintergrund sei es nur konsequent, wenn Regionalverlage sich heute
auch an Start-up-Unternehmen beteiligten.
"Die Zeitung in all ihren Spielarten und in einem hoch
diversifizierten Informations- und Serviceangebot ist das Leitmedium
Deutschlands", stellte Wolff fest. In der Leseranalyse
Entscheidungsträger LAE 2014 hätten die Zeitungstitel allesamt
zugelegt. Wer mitgestalten wolle, brauche die Zeitung. Laut einer vor
wenigen Wochen vorgestellten Studie der Bayerischen Landeszentrale
für neue Medien (BLM) habe die Bedeutung des Mediums für die
Meinungsbildung noch zugenommen, während TV in dieser Disziplin an
Relevanz verloren habe. Das Allensbacher Institut für Demoskopie habe
der Zeitung einmal mehr ihre starke Verwurzelung im Lokalen
bestätigt: 86 Prozent der Zeitungsleser interessierten sich vor allem
für die Berichter-stattung aus dem unmittelbaren Lebensumfeld. Danach
folgten - noch vor dem Sport - innen- und außenpolitische Themen.
"Professionalität und Glaubwürdigkeit sind unsere Assets, das zieht
sich wie ein roter Faden durch die Studien." Selbst die Zwölf- bis
19-Jährigen attestierten laut JIM-Studie der Zeitung die höchste
Glaubwürdigkeit, ergänzte Wolff.
In der immer stärker fragmentierten Medienwelt sei die Zeitung der
Kommunikationsriese, der täglich mit einem Massenpublikum intensiv
kommuniziere. Die Zeitungsmarken erreichten über alle Ausspielkanäle
hinweg mehr als 57 Millionen Menschen in Deutschland. 81 Prozent der
deutschsprachigen Bevölkerung seien Zeitungsleser - auf Papier, auf
PCs und Tabletcomputern, auf Smartphones. "Zwar verlieren wir leider
an gedruckter Auflage, doch über die digitalen Kanäle legen die
Verlage enorm zu", betonte Wolff. Letztlich sei es irrelevant, wie
Informationen und Meinungen das Publikum erreichten, wenn die
Qualität stimme, die Ansprüche und Wünsche der Kunden erfüllt würden
und das Geschäftsmodell funktioniere.
Entscheidend für die erfolgreiche Entwicklung der Zeitungsbranche
seien auch gute wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen,
führte der BDZV-Hauptgeschäftsführer weiter aus. Aufgrund der zum
Teil erheblichen Unterschiede in den regionalen Wirtschaftsräumen sei
die Lage der Zeitungsbranche recht heterogen. "Es gibt unter den 329
Zeitungsverlagen in Deutschland Häuser, bei denen die Geschäfte gut
laufen, aber es gibt auch Unternehmen, die müssen Tag für Tag aufs
Neue im Markt kämpfen", so Wolff.
Politische Bilanz
Beim Thema Mindestlohn begrüßte der BDZV zwar, dass eine
Sonderregelung für den Zeitungsvertrieb grundsätzlich für notwendig
erachtet wurde. Die beschlossene Ãœbergangszeit von zwei Jahren greife
jedoch mit Blick auf die dann dauerhaften Mehrbelastungen für die
Verlage zu kurz. "Hier muss das Gesetz spätestens in zwei Jahren
nachgebessert werden", forderte der BDZV-Hauptgeschäftsführer.
Einverstanden gewesen wäre der BDZV mit dem ursprünglichen Vorschlag
von Bundesarbeitsministerin Nahles. Darin war ein Mindestlohn für
geringfügig beschäftigte Zeitungszusteller in Höhe von netto 8,50
Euro ab Januar 2015 sowie eine fünfjährige teilweise Entlastung bei
den Sozialabgaben für die Verlagshäuser vorgesehen. "Frau Nahles
hatte eine Lösung gefunden, die sowohl den Erwartungen der Zusteller
als auch der wirtschaftlichen Situation der Verlage gerecht geworden
wäre", betonte Wolff. Umso irritierender sei es, dass dieser
ausgewogene Vorschlag der zuständigen Fachministerin nicht die
Zustimmung in den Bundestagsfraktionen erhalten habe. "Uns ist
schleierhaft, warum das Ergebnis einer monatelangen Prüfung durch das
Ministerium von den Abgeordneten nicht anerkannt wurde", kritisierte
Wolff. Wer in letzter Minute eine solche Kehrtwende ohne sachlich
zwingenden Grund vollziehe, der mache sich unglaubwürdig.
Der Mindestlohn sei ein Beispiel dafür, dass das sensible Kultur-
und Wirtschaftsgut Presse bei Gesetzesvorhaben immer wieder
Kollateralschäden davontrage, obgleich es gar nicht im Fokus des
Gesetzgebers stehe. Um dies zu vermeiden, sollte so rasch wie möglich
jede neue Gesetzesinitiative daraufhin geprüft werden, welche
Auswirkungen für die Presse zu erwarten seien. "Wenn es der Politik
ernst ist mit der Erhaltung einer funktionierenden Presse in
Deutschland, dann ist eine umfassende Folgenabschätzung überfällig",
stellte der BDZV-Hauptgeschäftsführer fest.
Im Zusammenhang der breiten öffentlichen Diskussion und der Kritik
an dem Unternehmen Google begrüßte Wolff die kritische Sicht der
Bundesregierung auf die Marktmacht des amerikanischen
Kommunikationskonzerns in Deutschland. Der BDZV habe diese Debatte
bereits vor drei Jahren angestoßen. "Die Bundesregierung hat erkannt,
welch gigantische Verschiebungen im Markt digitale Megaplayer wie
Google, Amazon und Facebook bereits herbeigeführt haben. Jetzt ist
Handeln gefordert." Kritisch äußerte sich der
BDZV-Hauptgeschäftsführer zu dem langwierigen Kartellverfahren der
deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverleger gegen Google auf
europäischer Ebene: Der zuständige EU-Kommissar JoaquÃn Almunia habe
bisher nichts im Sinne der Presse bewegt. Das Verfahren laufe bereits
seit zwei Jahren und Google baue seine Quasi-Monopolstellung im Markt
der Suchmaschinen weiter aus. "Ein klares Wort aus Brüssel zu unserem
An-spruch auf eine faire Suche und zum wettbewerbswidrigen Verhalten
von Google ist überfällig", so Wolff.
Der BDZV erneuerte seinen Appell an den Gesetzgeber, den
reduzierten Mehrwertsteuersatz endlich auf die elektronischen
Angebote der Zeitung auszudehnen. Dass für die Lektüre von
politischer Information überhaupt eine Steuer gezahlt werden müsse,
sei nicht vermittelbar, zumal es innerhalb der EU Länder mit dem
Mehrwertsteuersatz null gebe, so Wolff. Doch geradezu grotesk sei es,
die Nutzung von Informationen auf einem Smartphone oder einem PC
steuerlich anders zu behandeln als auf Papier.
Beim Thema Datenschutz rief der BDZV die Politik auf, die
besondere Betroffenheit der Presse im Auge zu behalten. Die Verlage
bekennten sich zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit Daten.
Dies gelte für den Datenschutz in Redaktionen ebenso wie beim
Pressevertrieb. Es sei allerdings wirklichkeitsfern anzunehmen, der
Vertrieb von Presseprodukten sei ohne Nutzerdaten überhaupt möglich.
Der Gesetzgeber müsse anerkennen, dass immer mehr Kunden
individualisierte Informations- und Serviceangebote wünschten.
Digitales Wachstum
Die Zeitungen hätten das größte Angebot im Internet, stellte
Hans-Joachim Fuhrmann, Leiter Kommunikation + Multimedia, fest. Jeden
Monat erreichten sie mit ihren Online-Inhalten 31 Millionen Leser
(Unique User), jede Woche 17,5 Millionen. Dies entspreche 44 Prozent
der Bevölkerung. Damit lägen die Zeitungen vor den Portalen T-Online
und eBay. Von den 14- bis 29-Jährigen besuchten 67 Prozent (9,9
Millionen) regelmäßig die Webangebote der Zeitungen.
Zur Entwicklung von Paid Content führte Fuhrmann aus, dass derzeit
79 Verlage Bezahlmodelle im Netz hätten. Bis Ende des Jahres werde
man 100 erreichen. Die meisten Nutzer entschieden sich auch im Netz
für ein Abonnement, das im Schnitt acht Euro koste. Daneben böten
viele Verlage zusätzlich Tagespässe, die durchschnittlich 1,10 Euro
kosteten. In der Zeitungsbranche bestehe Konsens, die Angebote nicht
mehr komplett gratis zu machen. Inzwischen gebe es auch eine gelebte
Bezahlkultur im Netz. Die Nutzer akzeptierten, für Spiele, Musik,
Videos und auch Zeitungsinformationen zu bezahlen. 25 Prozent aller
Internetnutzer gäben bereits Geld für digitale journalistische
Inhalte aus.
Neben den Webseiten entwickelten die Verlage intensiv Apps für
Smartphones und Tablets. Mittlerweile würden 530 Apps (Juli 2013:
450) angeboten. Die meisten orientierten sich stark an klassischen
Zeitungsinhalten und folgten damit dem gelernten Nutzungsverhalten
der Leser.
Auflagenentwicklung, Vertriebs- und Anzeigengeschäft
Von einem anhaltenden Boom beim Verkauf von E-Paper-Ausgaben
berichtete Jörg Laskowski, Geschäftsführer Verlagswirtschaft. Im
Vergleich zum Vorjahr (1. Quartal) sei die Auflage um 64 Prozent auf
560.000 Exemplare gestiegen (2013: 340.000). Grund für den weiter
steigenden Verkauf sei die anhaltende Verbreitung von Tablets und
Smartphones, auf denen die Zeitungsausgaben komfortabel gelesen
werden könnten. Laskowski räumte ein, dass E-Paper die
Auflagenverluste bei der gedruckten Zeitung freilich nicht
ausgleichen könne. Die Gesamtauflage ging im ersten Quartal 2014 von
22,23 Millionen Exemplaren auf 21,51 zurück (-3,23 Prozent). Die
Tageszeitungen setzten 16,99 Mio. Exemplare ab (-3,39). Die Auflage
der Wochenzeitungen blieb mit 1,74 Mio. Exemplaren stabil (-0,2). Die
regionalen Abo-Zeitungen kamen auf 12,68 Mio. Exemplare (-2,76),
überregionale Blätter auf 1,19 Mio. (-5,58), Straßenverkaufszeitungen
auf 3,11 Mio. (-5,07) sowie Sonntagszeitungen auf 2,78 Mio. (-4,07).
In Deutschland erscheinen 329 Tageszeitungen mit über 1.500 lokalen
Ausgaben. Damit habe Deutschland eine der vielfältigsten
Zeitungslandschaften der Welt und den größten Zeitungsmarkt in
Europa.
In seinem Bericht über die Geschäftsentwicklung 2013 stellte
Laskowski fest, dass die Vertriebserlöse nach wie vor recht stabil
seien (-0,4 Prozent), dagegen die Anzeigen- und Beilagenumsätze
erheblich eingebüßt hätten (-9,9 Prozent). Damit sei der Gesamtumsatz
im Vorjahresvergleich von 8,23 Milliarden Euro auf 7,87 Mrd. (-4,4
Prozent) zurückgegangen. Der Gesamtumsatz (Tages-, Wochen-,
Sonntagszeitungen und Supplements) setzt sich zusammen aus 3,43 Mrd.
Euro Anzeigen und Beilagen, 4,69 Mrd. Vertrieb und 79,3 Mio.
Supplements. Die Tageszeitungen kamen auf einen Gesamtumsatz von 7,4
Mrd. (-4,2 Prozent). Dabei entfielen 2,9 Mrd. (-9,7 Prozent) auf
Anzeigen und Beilagen sowie 4,5 Mrd. auf den Vertrieb. Wochen- und
Sonntagszeitungen machten einen Gesamtumsatz von 383 Mio. (-7,5
Prozent). Laskowski hob hervor, dass 94,1 Prozent der
Vertriebsumsätze im Abonnement erreicht würden. Lediglich 5,2 Prozent
kämen aus dem Einzelverkauf, 0,7 Prozent seien sonstige Verkäufe. Im
Anzeigengeschäft komme das Gros der Umsätze nach wie vor aus dem
lokalen Markt (30 Prozent), gefolgt von Stellenanzeigen (18 Prozent)
sowie Markenartikel/Markenwerbung/ Großformen des Handels mit 15
Prozent.
Pressekontakt:
Hans-Joachim Fuhrmann
Telefon: 030/ 726298-210
E-Mail: fuhrmann(at)bdzv.de
Anja Pasquay
Telefon: 030/ 726298-214
E-Mail: pasquay(at)bdzv.de