(ots) - Eben noch war von Ruhe die Rede, von
Deeskalation und Friedensbemühungen. Dann, fast von heute auf morgen,
von Vergeltung und Rache - und schon fliegen Raketen, Kampfflugzeuge
und alle guten Vorsätze über Bord. Die erneute Eskalation des
Nahostkonflikts erscheint plötzlich und unerwartet und lässt die Welt
über die Explosion von Gewalt und Gegengewalt staunen. Dabei schauen
Europa, die USA und die UN schon seit Monaten dabei zu, wie Schritt
für Schritt die Spannung zwischen Israel und Palästina sich weiter
auflädt. Sicher, die Entführung und Ermordung der drei israelischen
Schüler war der Auslöser für die aktuellen Kämpfe. Doch schon die
Reaktion der israelischen Streitkräfte ließ erahnen, dass es um mehr
als nur die Suche nach drei Vermissten geht. Die Soldaten räumten im
Westjordanland auf, nahmen dutzende Hamas-Mitglieder fest, sprengten
Häuser und hinterließen nicht nur Verwüstung, sondern auch mehrere
Tote - ohne einen Beweis vorzubringen, dass die Jungen tatsächlich
von der Hamas entführt worden waren. Bis heute hat sich niemand zu
den Morden bekannt. Auch wenn der Präsident der Palästinensischen
Autonomiebehörde Mahmud Abbas zu Anfang der Razzien Israel bei der
Suche unterstützte, an die Entführer appellierte: Die im Juli 2013
von US-Außenminister John Kerry initiierten Friedensverhandlungen
stockten schon länger, die Lage war wegen der jüngsten politischen
Ereignisse in Palästina angespannt. Der israelische Regierungschef
Benjamin Netanjahu konnte Abbas nicht verzeihen, dass er sich im
April mit der nicht nur von Israel als Terrororganisation geächteten
Hamas versöhnt hatte und im Juni gar eine Einheitssregierung mit ihr
bildete. Doch auch die palästinensische Seite hatte im vergangenen
Jahr immer wieder Gründe gefunden, die vielversprechend gestarteten
Friedensgespräche auf Eis zu legen. Ganz oben auf der Liste steht der
von Netanjahu offen und aggressiv betriebene israelische
Siedlungsbau. Für den israelischen Ministerpräsidenten stand der
offenbar in keinerlei Widerspruch zum Friedensprozess, obwohl die
Bagger und Baukräne Meter für Meter Tatsachen schaffen, den direkt
betroffenen Palästinensern die Lebensgrundlage rauben und mit Blick
auf eine angeblich anvisierte Zweistaatenlösung nicht mehr viel Staat
für Palästina übriglassen. All diese Nebenschauplätze hätten nicht
zum Abbruch der Friedensgespräche geführt, wenn die USA den Prozess
weiter so intensiv begleitet hätten wie zu Beginn von Kerrys Amtszeit
als Außenminister. Wie schon seine Vorgänger engagierte er sich in
den ersten Monaten nach seiner Vereidigung intensiv für eine
Beilegung des Nahost-Konflikts, nur um - ebenso wie die meisten
seiner Vorgänger - einige Monate später entnervt aufzugeben. Auch als
israelische Soldaten im Westjordanland auf alle Rechtsstaatlichkeit
pfiffen, als die Leichen der drei Jungen gefunden wurden und als ein
palästinensischer Junge bei lebendigem Leibe verbrannt wurde, hielt
die internationale Gemeinschaft bemerkenswert still. Als ob man mit
einer Einmischung den entscheidenden Beitrag zu einer Eskalation
hätte leisten können. Doch die Hamas hat schon aus geringeren
Anlässen Raketen gezündet und die Kriegsbereitschaft in Israel ist
nach den jüngsten Ereignissen so groß wie lange nicht mehr. Die Zahl
der Toten, - die Mehrzahl von ihnen Zivilisten - auf
palästinensischer Seite steigt stündlich, ohne dass der
Raketenbeschuss aus dem Gaza-Streifen weniger wird. Israel zieht
seine Bodentruppen zusammen an der Grenze zusammen. Mit einem
Einmarsch wäre der vor einem Jahr begonnene Friedensprozess endgültig
beendet und all die zwischenzeitliche Besonnenheit auf beiden Seiten
ergebnislos. Um das zu verhindern, brauchen beide Konfliktparteien
Hilfe von außen.
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