(ots) - Als Anfang dieses Jahres Bundespräsident
Joachim Gauck ein stärkeres außenpolitisches Engagement Deutschlands
forderte, sorgte das für einigen Wirbel. Ein Land von der Bedeutung
wie die Bundesrepublik könne sich seiner Verantwortung international
nicht entziehen - auch militärisch nicht, so lautete die Essenz aus
Gaucks Rede bei der Sicherheitskonferenz. Die Aussage ist an
Bedingungen geknüpft. Aber sie war und ist richtig. Wenn die
Bundesregierung heute erwägt, vor einer abschließenden Entscheidung
über Waffenlieferungen an die kurdischen Peschmerga den Bundestag zu
befragen, so ist das die wichtigste Bedingung. Das Kabinett ist zu
diesem Schritt nicht verpflichtet. Schließlich handelt es sich nicht
um einen Militäreinsatz. Zumindest noch nicht. Aber Deutschland
betritt Neuland, indem es Waffen in ein Krisengebiet liefert. Die
zweite Bedingung hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier heute
genannt: Deutschland wird keine Alleingänge unternehmen. Dass seit
vergangener Woche über das Für und Wider von Waffenlieferungen sogar
innerhalb der Parteien kontrovers diskutiert wird, zeigt nur, wie
nötig eine Parlamentsdebatte ist - und dass eine Abstimmung zumindest
ratsam wäre. Deutschland greift durch die Aufrüstung der Kurden in
den Konflikt im Norden des Irak ein. Diese Entscheidung hat Folgen,
die bis hin zu einer steigenden Terrorgefahr in Deutschland gehen
könnten. Sie hat auch Auswirkungen auf künftige Debatten über
deutsches Engagement in Krisen auf der Welt. Und diese Debatten
werden auf uns zukommen. Weil das bereits heute schon geschieht. Am
Wochenende war die Kanzlerin erneut mit der Frage nach militärischer
Unterstützung für die ukrainische Regierung konfrontiert. Eigentlich
nur schlüssig: Wenn Berlin Waffen nach Kurdistan schicken will, warum
nicht auch nach Kiew? Und was ist mit einer Beteiligung bei einem
friedenssichernden Einsatz an der Grenze zwischen Israel und dem
Gazastreifen? Schließlich machen deutsche Soldaten das bereits
andernorts. Diese Fragen sind legitim. Bundeswehrsoldaten sind auf
dem Balkan im Einsatz, sie kämpfen und sterben in Afghanistan.
Deutschland macht schon lange Dinge, die einst tabu waren. Weil die
Welt multipolarer geworden ist. Und weil der Weltpolizist in
Altersteilzeit ist. Unter Barack Obama haben die USA ihr
internationales Engagement zurückgefahren. Das Land ist pleite und
kriegsmüde. Obama hatte versprochen, seine Soldaten nach Hause zu
holen. Er ist dafür vorauseilend mit dem Friedensnobelpreis
ausgezeichnet und wiedergewählt worden. Er hat nur leider versagt.
Die US-Armee hat im Irak rauchende Trümmer hinterlassen, aus denen
Dschihadisten den islamischen Staat aufgebaut haben. Afghanistan
droht dasselbe Schicksal. Auch die US-Regierung weiß das. Nicht ohne
Grund hat Obama mehrfach betont, wie sehr er Partnerschaften schätzt
- und er hat dabei mehrfach auf Deutschland geschielt. Die
Auszeichnung Merkels mit der Friedensmedaille ist deutlichstes
Zeichen dieser Wertschätzung, an die aber auch handfeste Erwartungen
geknüpft sind. Ja: Die Bundesrepublik hat weder die Mittel, noch das
Material, noch den Willen, weltweit eine militärische Führungsmacht
zu sein. Aufgrund des historischen Verständnisses des Landes wäre das
weder vertretbar noch politisch umsetzbar. Aber alleine aufgrund
seiner wirtschaftlichen Stärke und seiner politischen Bedeutung kommt
Deutschland nicht umhin, Verantwortung zu übernehmen. Im Angesicht
der Bedrohung durch den Islamischen Staat ohnehin nicht. Alleine
schon, weil eine langanhaltende Krise im Nordirak die steigenden
Flüchtlingszahlen weiter nach oben treiben wird - und damit auch die
Zahl derer, die bei uns Schutz suchen. Auch sonst ist der Tabubruch
in militärischen Fragen schon längst Normalität. Siehe Balkan. Siehe
Afghanistan. Deutschland ist kein Weltpolizist. Aber es ist längst
Teil der Weltpolizei. Viele haben damit zurecht ein Problem. Daher
ist eine Beteiligung des Bundestags an Entscheidungen über deutsches
Engagement in Krisenregionen immer unerlässlich. Auch wenn es "nur"
um Waffenlieferungen geht.
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