(ots) - Einstimmig - alles andere wäre ein Misstrauensvotum
gleich zu Beginn gewesen: Der neue ÖVP-Parteichef Reinhold
Mitterlehner hat seine Kandidaten Hans Jörg Schelling und Harald
Mahrer durchgesetzt. Mit den Personalbesetzungen einher geht eine
Verschiebung der ÖVP-Machtverhältnisse, bei der es die Balance
zwischen sechs Bünden und neun Bundesländern zu finden gilt. Die
Bestellung zweier Wirtschaftsbündler ist eine Verrückung in Richtung
Wirtschaft und durch den Oberösterreicher an der Parteispitze in
Richtung Westen - weg vom bisherigen Epizentrum Niederösterreich. Die
Westachse wird sich schwerer tun, in Zukunft gegen "die in Wien"
?(und Umgebung) zu agitieren. Die deutlich verschnupften und
?zurückhaltenden Reaktionen Erwin Prölls ("Mitterlehner wird wissen,
was er tut") zeigen, dass der oberste Niederösterreicher um die
Verringerung seines Einflusses weiß. Dass er dies akzeptiert, ist
damit noch nicht gesagt. Angeschlagen wirkt Pröll dennoch nicht.
Mitterlehner nutzte die ersten Interviews wie jenes mit dem
?Standard, um Disziplin und Mitverantwortung einzufordern. Ihm hilft,
dass sich die ÖVP einen erneuten Obmannwechsel im so wichtigen
Wahljahr 2015 nicht leisten kann. In den Bundesländern
Oberösterreich, Steiermark, Burgenland und Wien wird gewählt. Mit
Hans Jörg Schelling hat er einen Macher für das Finanzministerium
geholt, der sich auch mit Landeshauptleuten anlegen kann. Das hat er
schon beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gezeigt. Seine
Erfahrungen in der Privatwirtschaft kommen ihm ebenfalls zugute. Dass
er davon überzeugt ist, es besser als die bisherigen
Regierungsmitglieder zu können, daran ließ Schelling in den
vergangenen Jahren keinen Zweifel aufkommen. Den Beweis muss er jetzt
erbringen. Mit Harald Mahrer als Wissenschaftsstaatssekretär versucht
Mitterlehner, ein Signal der Öffnung der Partei zu setzen. In einem
am Freitag ?veröffentlichten Gastkommentar im ?Standard forderte
Mahrer eine Evolution in seiner Partei: Die ÖVP müsse sich
schleunigst neu erfinden, verlorene und neue Wählerschichten
ansprechen, für Freiheit und Vielfalt eintreten und der schweigenden
Mitte eine Heimstatt bieten. Wie für Journalisten, die in die Politik
wechseln, gilt auch für Mahrer: Besser wissen reicht nicht - er muss
es nun umsetzen. Zeit für einen evolutionären Weg, wie ihn Mahrer
vorschlägt, oder eine "prozessorientierte" Vorgangsweise, die
Mitterlehner skizziert, bleibt der ÖVP jedoch nicht. Die ehemalige
Volkspartei liegt in Umfragen nur noch bei 19 Prozent. Will die neue
Parteiführung den Abwärtstrend stoppen, ist nicht weniger als eine
Revolution notwendig: ein inhaltlicher Aufbruch, wie ihn Angela
Merkel in Deutschland gestartet hat, nachdem sie die vom
Parteispendenskandal gebeutelte CDU auf einem Tiefststand übernommen
hatte. Sie hat die Partei umgekrempelt und ihr liberalere, teilweise
sozialdemokratische Positionen verpasst: ein modernes Familienbild,
inklusive mehr Kindergartenplätzen, der Ausstieg aus der Atomenergie,
die Aussetzung der Wehrpflicht, die Zustimmung zu einem Mindestlohn
und die klare Aussage: Deutschland ist ein Einwanderungsland.
Mitterlehner muss diesen Weg, den Josef Pröll mit dem
Perspektivenprozess versucht hat, fortsetzen. Das ist seine Chance,
die letzte für die ÖVP.
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