(ots) - Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen
fordert Staaten mit Katastrophenschutzkapazitäten dringend dazu auf,
Personal und Material zur Ebola-Bekämpfung nach Westafrika zu
entsenden. "Die Weltgemeinschaft versagt bei ihrer Reaktion auf die
bisher schlimmste Ebola-Epidemie", sagte die internationale
Präsidentin von Ärzte ohne Grenzen, Joanne Liu, bei einer Anhörung
bei den Vereinten Nationen in New York. Die weitere Ausbreitung des
Virus könne nur durch eine umfangreiche Entsendung von
spezialisierten medizinischen Einheiten aufgehalten werden.
"Es ist ein Wettlauf mit der Zeit, und Ebola scheint zu gewinnen",
erklärte Liu am Rande der Anhörung. "Die Zeit für Treffen und
Planungen ist vorbei. Es ist jetzt Zeit zu handeln. Jeder Tag, an dem
nichts unternommen wird, bedeutet weitere Tote und den langsamen
Zusammenbruch der Gesellschaften in den betroffenen Ländern."
Bis jetzt werde die Verantwortung im Umgang mit diesem
außergewöhnlich großen Ebola-Ausbruch überforderten
Gesundheitsbehörden und privaten Hilfsorganisationen überlassen,
sagte Liu. Obwohl Ärzte ohne Grenzen mehrmals einen umfangreichen
Einsatz vor Ort gefordert habe, sei die Reaktion von internationaler
Seite unzureichend geblieben - mit tödlichen Folgen.
Nichtregierungsorganisationen und die Vereinten Nationen könnten
nicht alleine den von der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
erarbeiteten Maßnahmenplan zur Bekämpfung der Epidemie umsetzen.
"Sechs Monate dauert die bisher schlimmste Ebola-Epidemie nun an,
und der Welt gelingt es nicht, sie einzudämmen", sagte Liu. "Die
Regierungen versagen angesichts dieser grenzüberschreitenden
Bedrohung. Die Erklärung der WHO vom 8. August, wonach die Epidemie
eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite darstelle,
hatte keine entschiedenen Maßnahmen zur Folge. Stattdessen haben sich
die Staaten zu einer internationalen Koalition der Untätigkeit
zusammengetan."
"Finanzielle Zusicherungen und das Entsenden einiger Experten
reichen nicht aus", sagte Liu. "Staaten, die über die benötigten
Kapazitäten verfügen, haben eine politische und humanitäre
Verpflichtung, angesichts dieser Katastrophe konkrete Hilfeleistungen
anzubieten. Anstatt sich nur darauf zu beschränken, sich auf eine
mögliche Ankunft eines Ebola-Infizierten in ihrem Land vorzubereiten,
sollten sie die Gelegenheit ergreifen, um dort Leben zu retten, wo
dies jetzt nötig ist: in Westafrika."
Viele Staaten verfügen über einen Katastrophenschutzapparat gegen
biologische Gefährdung. Es ist ihnen möglich, innerhalb weniger Tage
ausgebildetes medizinisches Personal vor Ort zu entsenden, das über
den notwendigen Organisationsgrad verfügt, um hohe
Sicherheitsstandards und Effizienz zu garantieren. Das betrifft
sowohl zivile wie - in diesem Ausnahmefall - auch militärische Teams.
Letztere dürfen aber nur für medizinische Zwecke eingesetzt werden.
Ärzte ohne Grenzen betont, dass in die betroffenen Gebiete entsandtes
militärisches Personal nicht dafür eingesetzt werden darf, um
Quarantänemaßnahmen gewaltsam durchzusetzen. Durch Zwang verordnete
Quarantäne hat bisher nur Angst und Unruhe geschürt, anstatt das
Virus aufzuhalten.
Kurzfristig werden zusätzliche Isolierzentren, mehr ausgebildetes
Personal, mobile Labors für eine bessere Diagnostik benötigt, sowie
Flugzeuge, damit Personal und Material befördert werden können.
Die Kliniken von Ärzte ohne Grenzen in Liberia und Sierra Leone
sind mit Patienten, bei denen Verdacht auf Ebola besteht, überfüllt.
Die Menschen erkranken aber nach wie vor an Ebola und sterben in
ihren Dörfern und Gemeinden. In Sierra Leone liegen hoch infektiöse
Leichen auf den Straßen und verwesen dort.
In der liberianischen Hauptstadt Monrovia werden dringend neue
Ebola-Behandlungszentren mit Isolierstationen und qualifiziertem
Personal benötigt. Der Andrang wartender Patienten vor dem immer
größer werdenden Behandlungszentrum "ELWA 3" mit derzeit 160 Betten
wird immer größer. Schätzungen gehen davon aus, dass 800 zusätzliche
Betten allein in Monrovia benötigt werden. Das Team von Ärzte ohne
Grenzen ist bereits überlastet.
"Jeden Tag müssen wir kranke Menschen nach Hause schicken, weil
wir überfüllt sind", erklärt Stefan Liljegren, Einsatzkoordinator von
Ärzte ohne Grenzen im Behandlungszentrum "ELWA 3". "Ich musste die
Fahrer der Krankenwagen bitten, mich anzurufen, bevor sie mit
Patienten zu uns kommen - unabhängig davon, in welchem Zustand sich
diese befinden -, da wir oft nicht in der Lage sind, sie
aufzunehmen."
Die Teams von Ärzte ohne Grenzen können mehr Leben retten, wenn
Infizierte so früh wie möglich kommen. Mehr Kapazitäten bei den
Isolierstationen würden auch die Gesundheitssysteme der betroffenen
Länder erleichtern, von denen einige am Rande des Zusammenbruchs
stehen. Mindestens 150 Mitarbeiter aus dem Gesundheitssektor sind an
Ebola gestorben, andere haben zu große Angst vor Ansteckung und gehen
nicht mehr zur Arbeit.
Ärzte ohne Grenzen begann seinen Ebola-Einsatz in Westafrika im
März 2014 und ist nun in Guinea, Liberia, Sierra Leone und Nigeria
und tätig. Die Organisation betreibt fünf Ebola-Behandlungszentren
mit einer Kapazität von insgesamt 480 Betten. Seit März hat Ärzte
ohne Grenzen 2.077 Patienten aufgenommen, von denen 1.038 positiv auf
Ebola getestet wurden. 241 wurden gesund. Ärzte ohne Grenzen hat 156
internationale Mitarbeiter und 1.700 nationale Mitarbeiter in der
Region.
Pressekontakt:
Interviews sind möglich.
Aktuelle Fotos aus Liberia können unter folgendem Link
heruntergeladen werden:
ftp://fotos:uzetan85(at)217.110.40.18/2014-09-02 Ebola Fotos
Aktuelles Videomaterial aus Liberia kann unter folgendem Link
heruntergeladen werden:
ftp://fotos:uzetan85(at)217.110.40.18/2014-Ebola-b-roll
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