(ots) - Der frühere Verfassungsrichter Udo Di Fabio warnt vor
den Folgen einer Lockerung des Sterbehilfe-Verbots. "Wir müssen die
gesellschaftliche Signalwirkung ins Auge fassen, die von solch einem
Schritt ausginge", sagte der Bonner Staatsrechtler dem "Kölner
Stadt-Anzeiger" (Mittwoch-Ausgabe). "In einer Gesellschaft, die - gar
nicht abwertend, sondern beobachtend gemeint - zur Ökonomisierung
aller Lebensbereiche neigt, rate ich zu größter Vorsicht, was eine
Lockerung des Sterbehilfe-Verbots betrifft." So könne schnell ein
Druck entstehen, "den unsere Verfassungsordnung nicht will: der
Druck, das eigene Leben zu beenden, um anderen nicht zur Last zu
fallen", erklärte der Jurist. Eine Gesellschaft, "die ihre Hand zur
Selbsttötung reicht, verändert den Umgang mit dem menschlichen
Leben". Es gehe bei der Frage nach Sterbehilfe nicht nur um das Recht
auf Selbstbestimmung. "Gerecht ist nicht immer nur das, was der
Einzelne will, sondern auch, was eine Gesellschaft moralisch prägt",
so Di Fabio.
Auf die Frage nach der Möglichkeit, Extremfälle sehenden Auges in
einer rechtlichen Grauzone zu belassen, sagte der 60-Jährige, "man
muss und kann nicht alles regeln". In der öffentlichen Debatte sei
häufig vom Vertrauensbruch die Rede, von Missständen, Straftaten.
Dann seien Gesetzgeber und Richter gefragt. "Das verstellt aber
mitunter den Blick auf einen Lebensalltag, der mit dem schweren
Schicksal besonnen umgeht." Wichtig ist nach Di Fabios Worten
Vertrauen: zu nächsten Angehörigen, behandelnden Ärzten, Pflegern
oder Geistlichen. "Es gibt immer noch eine Alltagskultur, die in der
engen Zuwendung Maßstäbe des richtigen Handelns wachsen lässt." Di
Fabio gehörte von 1999 bis 2011 dem Zweiten Senat des
Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe an.
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