PresseKat - Publizist Bernd Ziesemer: "Mehr recherchieren, weniger kuratieren"

Publizist Bernd Ziesemer: "Mehr recherchieren, weniger kuratieren"

ID: 1103054

(ots) - Mit einer eindrucksvollen Rede hat sich Bernd
Ziesemer, lange Jahre Chefredakteur vom "Handelsblatt", in die
Debatte eingebracht, wie Journalismus auch in Zukunft Leser, Zuhörer
und Zuschauer begeistern kann. "Eine Gefahr für unabhängige Medien
entsteht erst dann, wenn sie anfangen, ihre Unabhängigkeit zu
verlieren", ist der Publizist überzeugt.

Bei der Podiumsdiskussion "Journalismus zwischen Content und
Crowd", zu dem die rheinland-pfälzische Staatsministerin Margit
Conrad gemeinsam mit dem Mainzer Medien-Disput in die
Landesvertretung Rheinland-Pfalz in Berlin einlud und die
SWR-Chefreporter Prof. Thomas Leif moderierte, fand Bernd Ziesemer
deutliche Worte.

"Was ist eigentlich Journalismus? News is what someone somewhere
wants to supress - the rest is advertising. Dieser alte
angelsächsische Spruch gilt heute mehr denn je", so Bernd Ziesemer.
"Mein alter Freund und Kollege Arno Balzer hat kürzlich den schönen
Spruch hinzugefügt: "Recherchieren statt kuratieren". Ich glaube er
hat verdammt recht: Wir müssen als Journalisten wieder mehr übers
Recherchieren und weniger übers Kuratieren von Nachrichten reden.
Dann muss uns um unabhängigen Journalismus nicht bang sein", so Bernd
Ziesemer.

Doch der erfahrene Journalist warnt eindrucksvoll: "Eine Gefahr
für unabhängige Medien entsteht erst dann, wenn sie anfangen, ihre
Unabhängigkeit zu verlieren.

Wenn aus Redaktionsangeboten selbst versteckte und verschwiemelte
Content-Marketing-Angebote werden. Das neudeutsche Stichwort dazu
lautet: "Native Advertising". Ich bin fest davon überzeugt: Das ist
die größte Gefahr, die es jemals für seriösen Journalismus gab.

Wenn sich Werbeinhalte im redaktionellen Umfeld wie
journalistische Inhalte gerieren, verlieren letztlich beide Seiten:
Die Medien ihre Unabhängigkeit und damit ihre eigentliche




gesellschaftliche und ökonomische Daseinsberechtigung - und die
beteiligten Unternehmen ihre Reputation. Ich habe schon vor zwei
Jahren, als diese Diskussion in Deutschland begann, vor dem
"Pyrrhussieg" der Schleichwerbung gewarnt.

Je erfolgreicher sie seriöse Medien durchdringt, umso mehr
schaufelt sie sich letztlich ihr eigenes Grab. Oder um ein Bild aus
der Biologie zu gebrauchen: Der Parasit bringt am Ende sein eigenes
Wirtstier um. Medien berichten unabhängig - oder sie hören auf,
Medien zu sein. Nach dieser Definition werden Sie verstehen, warum
ich die meisten deutschen Mode- und Möbelzeitungen nicht mehr zur
unabhängigen Presse zähle. Und warum ich glaube, dass es kein großer
Verlust ist, wenn sie durch direkte Content-Marketing-Angebote der
Unternehmen ersetzt werden."

Bernd Ziesemer glaubt nicht daran, dass aus den
Crowdfunding-Projekten "eine neue Ökonomie breitflächiger
journalistischer Angebote entstehen kann. Dazu sind die Summen, über
die wir sprechen, selbst in den USA viel zu klein. Aber Projekte wie
die Krautreporter können als Seismografen dienen, was Menschen
künftig von Journalisten erwarten. Und was ihnen Journalismus wert
ist. Deshalb wäre es gut, wenn es mehr solche Projekte gäbe - zum
Beispiel im Wirtschaftsjournalismus", so Ziesemer in Berlin.

Der Mediendienst Newsroom.de dokumentiert die Rede "Wer ist King
in der Content-Produktion?" von Bernd Ziesemer im Original.

Lesen Sie mehr auf Newsroom.de, dem Branchendienst für
Journalisten und Medienmacher: http://nsrm.de/-/21g



Pressekontakt:
Bülend Ürük
Chefredakteur
Twitter: www.twitter.com/buelend
chefredaktion(at)newsroom.de
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Datum: 03.09.2014 - 09:05 Uhr
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