(ots) - Soziale Gerechtigkeit ist ein weicher Begriff.
Jeder versteht darunter etwas anderes - je nach individueller
Lebenssituation, politischer Ãœberzeugung oder umgebenden Bedingungen.
Und er betrifft so unterschiedliche Bereiche wie Bildung, Integration
oder medizinische Versorgung. Das alles soll zu einer objektiven
Größe verklammert werden, die europaweit Vergleiche zulässt und am
Ende sogar eine europäische Rangliste ermöglicht. Man darf dem
Ergebnis gegenüber skeptisch sein. Am Ende wird es so allgemein sein,
dass sich damit nichts Konkretes anfangen lässt. Schließlich: Dass
soziale Gerechtigkeit mehr in den Fokus europäischer Politik rücken
muss - das wussten wir schon. Und dass das für die Griechen härter
ist als für die Deutschen, wussten wir auch. Ohne jede Frage wirken
sich die komplexen Prozesse der europäischen Integration auf die
soziale und wirtschaftliche Teilhabe der Menschen aus. Dabei kommt es
auch zu sozialen Schieflagen. Als die EU einsprang, weil Griechenland
seine Rechnungen nicht mehr bezahlen konnte, kam die soziale
Gerechtigkeit als erstes unter die Räder dieses Hilfsprogramms. Die
allermeisten Griechen, Spanier oder Portugiesen haben bis heute den
kalkulierten Webfehler der gemeinsamen europäischen Währung
auszubaden, die eher das Ergebnis einer europäischen Integration
hätte sein müssen als deren Ausgangspunkt. Aber darüber reden die
Bertelsmänner nicht. Sie reden über Sozialpolitik. Dabei liegt auf
der Hand, dass es zunächst eine andere Finanz-, Wirtschafts- und
Strukturpolitik braucht, die auch strukturschwachen Ländern eine
Entwicklungschance lässt. Bisher sehen wir, dass die genannten Länder
unter dem Dach der gemeinsamen Währung die Produktivitätskonkurrenz
mit den Industrieriesen nicht bestehen können und permanent an der
Grenze zur Pleite segeln - mit allen Konsequenzen für die soziale
Lage der Menschen. Daran etwas zu ändern, wäre ein richtiger Schritt
auf dem Weg zu mehr sozialer Gerechtigkeit in Europa. Was ja wohl
heißt: zu vergleichbarer Teilhabe an Europas Reichtum.
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