(ots) - Sucht man derzeit nach einem Beispiel für eine völlig
verfahrene Situation: im fortgesetzten Konflikt um die
Asylwerberunterbringung in Österreich findet man es. Aktuell ist in
diesem bereits jahrelang währenden Streit nun die Phase progressiver
Paralyse angebrochen. Die bestehenden Bewegungsspielräume bewegen
sich gegen Null.
Das ist im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen so, wo der auf
Betreiben des niederösterreichischen Landeshauptmanns Erwin Pröll
(ÖVP) erwirkte gewerberechtliche Aufnahmestopp vom Innenministerium
zum Teil umgangen wird - angesichts von 3200 Asylanträgen bei nur
1259 Länder-Übernahmen in den vergangenen fünf Wochen aus purer
Quartiernot. Tatsächlich könnte das Zentrum 1800 Menschen fassen,
doch nun fordert Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ)
dessen totale Sperre.
Realpolitische Lähmung herrscht auch bei der von Innenministerin
Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) angepeilten Kasernen-Lösung. Bisher haben
Länder und Gemeinden konkrete, vom Verteidigungsministerium
unterstützte Planungen unter Hinweis auf bestehenden Flächenwidungen
jeweils abgeschmettert.
Also sinnt man im Innenministerium nun nach einem
Befreiungsschlag. Ein Assistenzeinsatz des Bundesheeres in den zur
Asylwerberunterbringung geeigneten Kasernen soll Länder- und
Gemeindeeinwände verunmöglichen. Verfassungsrechtlich ist das höchst
bedenklich, so wie es auch das jahrzehntelange Patrouillieren von
Soldaten an der österreichisch-ungarischen Grenze war. Und es wäre
wohl weit weniger populär.
Vielmehr bestünde die Gefahr, dass ein solches Aufzwingen neuer
Kasernen-Großlager das ohnehin äußerst ambivalente Image von
Flüchtlingen in Österreich massiv verschlechtert. Wider Behauptungen
von Populisten ist dieser Ruf derzeit nämlich keineswegs einhellig
ablehnend.
Das zeigt die Untersuchung eines weiteren Paralysesymptoms:
Tatsächlich fehlt es nicht an Menschen und Institutionen, die bereit
wären, Asylwerber aufzunehmen. Trotz der vielfach als zu niedrig
kritisierten Tagsätze für die Flüchtlingsunterbringung - im Regelfall
19 Euro pro Tag und Person - wären die Zahl vorliegender Offerte aus
Gasthöfen, Heimen und anderen Projekten geeignet, die Situation
spürbar zu entlasten.
Doch die seit 2004 geltende Grundversorgungsvereinbarung eröffnet
einen föderalistischen Handlungsspielraum, den etliche Bürgermeister
nutzen, um potenziellen Asylwerber-Unterbringern bürokratische
Knüppel in den Weg zu werfen. Und manch mutloser
Asyl-Länderverantwortlicher lässt die Ortschefs gewähren. Kurzsichtig
folgt er oder sie einer eingeübten Furcht vor "Asylwerber
raus"-Parolen, auch wenn die, die brüllen, vielleicht gar nicht
zahlreicher, sondern nur lauter sind als jene, die einverstanden
wären.
Auf diese Art werden seit Monaten private Quartierangebote in den
Wind geschlagen und Chancen auf eine Verbesserung verspielt. Daher
wird die Grundversorgungsvereinbarung von manchem politischen Akteur
hinter vorgehaltener Hand inwischen schwer in Frage gestellt: Das
Abkommen habe sich nur in vergangenen Zeiten sinkender
Asylwerberzahlen bewährt, angesichts der derzeit größeren
Herausforderungen tauge es wenig bis nichts. Die Frage ist nur, was
dann wohl nachkäme.
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