(ots) - Im vergangenen Jahr beschwor Barack Obama vor
der UN-Vollversammlung noch das Ende "eines Jahrzehnts der Kriege" in
Irak und Afghanistan. Diesmal trat er als Verkäufer eines neuen
Konflikts auf, der mit dem Eingreifen der Supermacht eine andere
Qualität erhalten hat. Vor seiner Abreise zu den Vereinten Nationen
eskalierten die USA mit Luftschlägen auf Ziele der ISIS und dem
El-Kaida-Sprössling "Khorason" in Syrien den Kampf gegen den
sogenannten "Islamischen Staat". Damit greift der
Friedensnobelpreisträger militärisch in einen Brandherd ein, von dem
er sich lange fernhalten wollte. Obama versteht sich als Führer der
zivilisierten Welt, der keine andere Wahl bleibt, als die
Terrorbrigaden dort zu verfolgen, wo sie am stärksten sind. In seinen
Augen handelt es sich um ein gerechtes Eingreifen, das angesichts der
Bedrohung der nationalen und internationalen Sicherheit unvermeidbar
sei. Wobei er sorgfältig das Wort "Krieg" vermeidet. Damit will sich
Obama von dem - wie er einmal sagte - "dummen Krieg" abgrenzen, den
George W. Bush in Cowboy-Manier gegen Irak vom Zaun gebrochen hatte.
Dieser gründete die Invasion auf falschen Annahmen über nicht
vorhandene Massenvernichtungswaffen und ignorierte obendrein den
Willen der Weltgemeinschaft. Dass sich an der ersten Angriffswelle
fünf arabische Staaten beteiligten, darf der US-Präsident durchaus
als Erfolg seiner diplomatischen Bemühungen verbuchen. Auf dem
Nato-Gipfel in Wales legte er Anfang September den Grundstein für die
Anti-IS-Koalition. Hartnäckig haben die USA das Bündnis seitdem auf
bisher 40 Alliierte erweitert; darunter sunnitische Staaten wie Saudi
Arabien, Jordanien und mehrere Golfstaaten. In seiner Rede vor den UN
appellierte Obama an bisher nicht beteiligte Nationen, sich dem
Bündnis gegen die Extremisten anzuschließen. So löblich das Bemühen
um eine breite Koalition auch sein mag, so wenig ersetzt sie ein
völkerrechtliches Mandat für Militärschläge in einem souveränen Land.
Auch dieser Präsident wird sich nicht auf eine Billigung durch den
Weltsicherheitsrat stützen können. Dem steht Russland im Weg, das
darauf pocht, jedes Eingreifen müsse mit dem syrischen Regime in
Damaskus abgestimmt werden. So durchsichtig das Manöver Moskaus auch
sein mag, so effektiv erweist es sich, andere westliche Staaten von
einer Beteiligung an Luftangriffen abzuhalten. Die Franzosen machen
deshalb nicht mit, wie auch Großbritannien und Deutschland Bedenken
haben. Die USA behaupten mangels besserer völkerrechtlicher
Argumente, vom Irak zur Verteidigung des Landes zur Hilfe gerufen
worden zu sein. Nicht ganz falsch, aber auch nicht wirklich
überzeugend. Ein solides UN-Mandat wäre besser, weil es breite
Unterstützung signalisierte. Obama stürzt die USA damit einmal mehr
in einen Konflikt, in dem die Supermacht die Hauptlast schultert. Als
besonders problematisch dürfte sich das Fehlen schlagkräftiger
Verbündeter auf dem Boden in Syrien erweisen. Jenseits der Truppen
des syrischen Diktators Assad finden sich weit und breit keine
Einheiten, die von Luftschlägen profitieren könnten. Die "sorgfältig
überprüften moderaten Kämpfer" sind nur eine Chimäre. Ob sie je eine
ernsthafte Größe sein werden, darf bezweifelt werden. Die Angriffe
auf Ziele in Syrien verschaffen unter diesen Bedingungen bestenfalls
Entlastung in Irak, weil der Nachschub für die Kämpfer des
"Islamischen Staats" unterbrochen werden kann. Als Strategie, das
Kalifat dauerhaft in die Knie zu zwingen, taugen sie kaum. In jedem
Fall ist die Eskalation ein Stich ins Wespennest. Die
nicht-beabsichtigten Konsequenzen könnten schneller zu einer
Ausweitung des Konflikts führen, als Obama lieb ist.
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